§ 26 Z 2 Angestelltengesetz lautet
„Als ein wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritte berechtigt, ist insbesondere anzusehen:
…
Z 2: wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält, ihn bei Naturalabzügen durch Gewährung ungesunder oder unzureichender Kost oder ungesunder Wohnung benachteiligt oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt;“ …
Berechtigter vorzeitiger Austritt wegen ungebührlicher Entgeltschmälerung: Die 7 wichtigsten Grundsätze, die Personalisten kennen sollten
- 1Nur wenn eine wesentliche Vertragsverletzung durch den Dienstgeber vorliegt, kann der Dienstnehmer berechtigt vorzeitig austreten. Wesentlich ist eine Vertragsverletzung dann, wenn dem Dienstnehmer die weitere Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.
- 2Der Dienstnehmer muss beweisen, dass ein entsprechender Austrittsgrund vorliegt.
- 3Liegt ein Austrittsgrund vor, muss der Austritt muss allerdings unverzüglich ausgesprochen werden.
- 4Üblicherweise fordert der Dienstnehmer zuerst die Bezahlung und setzt gleichzeitig eine Nachfrist, bis wann das ausstehende Entgelt überwiesen bzw auf seinem Konto eingelangt sein muss (siehe hierzu auch Punkt 7). Hat der Dienstgeber das ausstehende Entgelt bis Ende der Nachfrist nicht überwiesen bzw ist es bis zum geforderten Zeitpunkt nicht am Dienstnehmer-Konto eingelangt, kann der Dienstnehmer den vorzeitigen Austritt erklären.
- 5Hinweise zur Nachfrist:
- 6Duldet ein Dienstnehmer über einen längeren Zeitraum Zahlungsrückstände, so
- 7Je nachdem wie die Aufforderung des Dienstnehmers formuliert ist, muss am Ende der Nachfrist das Entgelt
Lösung zum Fall
Karl Bonussi
Unberechtigter vorzeitiger Austritt
Karl Bonussi ist – analog zu der Entscheidung des OGH (24. 9. 2018, 8 ObA 51/18k) unberechtigt vorzeitig aus dem Dienstverhältnis ausgetreten ist.
Hier die Begründung:
Karl Bonussi ersuchte mit seinem Mail seinen Dienstgeber „ …um entsprechende Nachverrechnung“.
Da die Bonifikationszahlungen stets gemeinsam mit der monatlichen Gehaltsabrechnung erfolgten, wurde mit der E‑Mail des Karl Bonussi ‒ wenn überhaupt ‒ nur insofern eine Nachfrist gesetzt, als die Verrechnung und Auszahlung der ausstehenden Bonifikationszahlungen mit dem Jänner-Lohn gefordert wurde, was sodann auch tatsächlich geschah.
Der Austritt von Karl Bonussi am 20. 1. 2019 war somit unberechtigt.
Lösung zum Fall
Bettina Korrektl
Berechtigter vorzeitiger Austritt
Bettina Korrektl hat in ihrem Mail ihren mit der Überstundenauszahlung in Verzug befindlichen Dienstgeber aufgefordert, ihr die offenen Beträge bis zum 10.2.2019, einem Sonntag, nachzuzahlen und sich für den Fall, dass sie an diesem Tag bis spätestens 24:00 Uhr über die aushaftenden Beträge nicht verfügen kann, den vorzeitigen Austritt vorbehalten.
Franz Hudriwu übersieht im § 903 ABGB die folgende Wortgruppe bei seiner Argumentation: „ … vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung …“.
In einem ähnlichen Fall hat der OGH (21. 12. 2015, 9 ObA 149/15z) entschieden, dass dadurch, dass die Dienstnehmerin in der „Fristsetzungserklärung“ einen konkreten Termin nannte, sie damit die gesetzliche Regelung des § 903 dritter Satz ABGB abbedungen hat.
Dass eine „gegenteilige Vereinbarung“ vorliegt kann damit argumentiert werden, dass Bettina Korrektl in ihrem Mail die Metallwaren GmbH nicht nur gefordert hat, ihr die offenen und genannten Beträge bis 10.2.2019 zukommen zu lassen, sondern auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie über die aushaftenden Beträge bis zum 10.2.2019, 24:00 Uhr verfügen können müsse.
Der Kernsatz des obigen OGH Urteils in einem vergleichbaren Fall lautet:
„Hat eine Arbeitnehmerin den Arbeitgeber, der mit der Gehaltszahlung in Verzug war, aufgefordert, die offenen Beträge bis zum …, einem Sonntag, nachzuzahlen, und sich für den Fall, dass sie an diesem Tag über die aushaftenden Beträge nicht verfügen kann, den vorzeitigen Austritt vorbehalten, endet die Frist entgegen der allgemeinen Regelung des § 903 dritter Satz ABGB am Sonntag 24.00 Uhr (und nicht erst am nächstfolgenden Werktag).
Der Austritt von Bettina Korrektl am 11.2.2019 war somit berechtigt.
Lösung zum Fall
Kurt Zopfinger
Unberechtigter vorzeitiger Austritt
Der vorzeitige Austritt ist aus 2 Gründen unberechtigt.
Grund 1: Austritt ist nur bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstvertrages gerechtfertigt
Gemäß § 26 Z 2 AngG liegt dann ein wichtiger Grund vor, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, wenn der Dienstgeber das dem Dienstnehmer zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält.
Allerdings berechtigt nicht jede Vertragsverletzung zum vorzeitigen Austritt, sondern nur eine wesentliche Vertragsverletzung, die dem Dienstnehmer die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar macht.
Aus dem Grundsatz, dass der Austritt nur gerechtfertigt ist, wenn dem Dienstnehmer die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar ist, ist abzuleiten, dass ein im Verhältnis zum laufenden Einkommen des Dienstnehmers geringfügiger Rückstand ‒ wie bei Kurt Zopfinger ‒ den Austritt nicht rechtfertigt.
Grund 2: Werden strittige Rechtsansprüche nicht ausbezahlt, rechtfertigt dies keinen berechtigten vorzeitigen Austritt
Ob das Entgelt in Benachteiligungsabsicht, aus Nachlässigkeit oder aus Unvermögen des Dienstgebers geschmälert oder zurückgehalten wird, ist gleichgültig. Ein berechtigter vorzeitiger Austritt liegt dann vor, wenn der Dienstgeber wusste oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist.
Verweigert der Dienstgeber eine Entgeltzahlung dann, wenn über das Bestehen eines entsprechenden Entgelt-Anspruchs verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines hierüber zu führenden Rechtsstreites nicht absehbar war, dann wird der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG nicht erfüllt.
Die Rechtsansicht des Franz Hudriwu ist begründbar:
Ist zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer lediglich vertraglich geregelt, dass mit dem Gehalt sämtliche Entgeltansprüche des Dienstnehmers abgegolten sein sollen (All-in-Gehalt) und ist darüber hinaus nichts Abweichen des vereinbart, erfasst ein All-in-Gehalt – entsprechend der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) – alle Entgeltteile, die für Arbeitsleistungen im rechtlich zulässigen Ausmaß anfallen.
Dazu zählen neben dem Grundgehalt für die Normalarbeitszeit insbesondere auch
Es ist daher strittig, ob Kurt Zopfinger überhaupt einen Auszahlungsanspruch betreffend die Rufbereitschaftsvergütung hat.
Ein aufgrund nicht bezahlter, strittiger Ansprüche vorgenommener vorzeitiger Austritt aus dem Dienstvertrag ist unberechtigt.