Mittwochs-Fall – das sagt Ihnen (noch) nichts? 2 x im Monat präsentieren wir Ihnen den Mittwochs-Fall
Was wollen wir, Tina Dangl und Ernst Patka, mit dem Mittwochs-Fall erreichen?


Die folgenden beiden Mittwochsfälle betreffen die
Übersiedlungsfälle:
Nächsten Mittwoch (7.11.2018) folgt Teil 2 unserer Serie!
Susanne Karracho ist Personalchefin der „Sozial & Hilfe Österreich“, die dem Kollektivvertrag Sozialwirtschaft Österreich (kurz: SWÖ-KV) unterliegt.
Der § 27 des SWÖ-KV enthält Bestimmungen, bei welchen Dienstverhinderungen das Entgelt weiterzuzahlen ist.
Im Punkt d) des Absatzes 1 ist geregelt, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch bei Wohnungswechsel bei eigenem Haushalt
2 Arbeitstage pro Kalenderjahr umfasst.
Susanne Karracho hat
5 Herausforderungen rund um Übersiedlungen zu lösen.
Die ersten 3 Fälle landen auf Ihrem Tisch. Frau Karracho ist Ihnen für Ihre Unterstützung sehr dankbar.

FALL 1:
Karl Überschlau:
Übersiedlung im Februar-Urlaub
Karl Überschlau hat vom 5. Februar (Montag) bis 18. Februar (Sonntag) Urlaub beantragt und genehmigt bekommen.
Was Susanne Karracho nicht wusste, weil es Karl Überschlau nicht erwähnte, war, dass er während seines Urlaubes von Gablitz (Niederösterreich) nach Wien-Donaustadt (22. Bezirk) übersiedelte.
Am Ende eines jeden Quartals werden den Dienstnehmern der „Sozial & Hilfe Österreich“ ihre aktuellen offenen Urlaubsarbeitstage mitgeteilt. Aufgrund dieser „Urlaubstage-Info“ Ende September sah Karl Überschlau, dass sich seine offenen Urlaubsarbeitstage gegenüber dem letzten Quartalsstand 31. Dezember um 10 Urlaubsarbeitstage (= 2 Wochen) vermindert haben.
Er protestiert bei Susanne Karracho und fordert, dass lediglich 8 Urlaubsarbeitstage abgezogen werden dürfen, da er aufgrund der Übersiedlung gemäß SWÖ-KV Anspruch auf 2 bezahlte Arbeitstage hat.
Susanne Karracho bleibt beim Abzug von 10 Urlaubsarbeitstage, denn – so ihre Ansicht – Übersiedlungen während des Urlaubes zählen als Urlaubstage und nicht als „kollektivvertraglicher Sonderurlaub“ (= zu bezahlende SWÖ-KV-Entgeltfortzahlungstage).
Wer hat Recht?

Antwort
Was Karl Überschlau so in seinem Urlaub treibt, ist seine private Angelegenheit. Da sein Dienstgeber, die „Sozial & Hilfe Österreich“ einerseits nicht wusste, dass er übersiedelt, und Karl Überschlau andererseits den „kollektivvertraglichen Sonderurlaub“ für Übersiedlungen (= 2 bezahlte Arbeitstage) vorweg nicht geltend gemacht hat, kann „Sozial & Hilfe Österreich“ den SWÖ-KV-Übersiedlungsanspruch gewähren, muss aber nicht.
FALL 2:
Karl Überschlau:
Neuerliche Übersiedlung im November
Die neuen Nachbarn des Karl Überschlau nerven ihn fürchterlich. Seinen Arbeitskollegen gegenüber beklagt er entnervt, dass ihn der Lärm, den die Nachbarn erzeugen (Eltern + 4 Kinder) in den Wahnsinn treibt.
Er fand ein Immobilienschnäppchen in Gänserndorf (Niederösterreich). Er kauft dieses Einfamilienhaus und informiert vorweg Susanne Karracho, dass er am 21. und 22. November (Mittwoch + Donnerstag) von Wien weg nach Gänserndorf übersiedeln werde. Er beanspruche die kollektivvertragliche Entgeltfortzahlung für 2 Übersiedlungstage gemäß SWÖ-KV.
Susanne Karracho lehnt ab, weil dieser Anspruch mit 2 Arbeitstage pro Kalenderjahr begrenzt ist und aufgrund der ersten Übersiedlung im Kalenderjahr ‒ diese war im Februar (siehe Fall 1) ‒ als verbraucht gilt.
Hat Susanne Karracho Recht?

Antwort
Ob Susanne Karracho Recht oder nicht, hängt davon ab, ob sie im Fall 1 letztlich kulanterweise die Urlaubstage reduziert hat oder nicht.
FALL 3:
Ingrid Fair:
Sonderurlaub oder „normaler Urlaub”?
Endlich ins Grüne ziehen, freudig informierte Ingrid Fair Ihre Arbeitskollegen und Susanne Karracho, dass Sie Ende November aus der Grazer Innenstadt nach Heiligenkreuz am Waasen (Steiermark) übersiedelt.
Ingrid Fair schreibt folgenden Antrag an Susanne Karracho:
„Die Speditionsfirma wird am 26. und 27. November (Montag + Dienstag) den Übersiedlungstransport durchführen. Um stressfrei den neuen Haushalt einrichten zu können, beantrage ich Urlaub in der letzten Novemberwoche (= 26. November bis 2. Dezember)“
Susanne Karracho genehmigt den Urlaub und zieht analog wie bei Karl Überschlau 5 Urlaubsarbeitstage vom offenen Urlaubssaldo ab.
Susanne Karracho erklärt Ingrid Fair, dass bei Übersiedlung entweder „normaler“ Urlaub oder der „Übersiedlungssonderurlaub“ von maximal 2 Arbeitstagen pro Kalenderjahr (= SWÖ-KV-Entgeltfortzahlungsanspruch für die Übersiedlung) vorliegen kann, aber keine Mischung aus beiden Urlaubstypen.
Zweifelnd, ob diese Rechtsansicht korrekt ist, wendet sich Ingrid Fair an Sie.
Hat Susanne Karracho Recht?

Antwort
Susanne Karracho hat nicht Recht. § 4 Abs 2 Urlaubsgesetz lautet (die entscheidende Textstelle ist unterstrichen):
„Für Zeiträume, während deren ein Arbeitnehmer aus einem der im § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz 1974, BGBl. Nr. 399, genannten Gründe an der Arbeitsleistung verhindert ist, während deren er Anspruch auf Pflegefreistellung oder während deren er sonst Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Entfall der Arbeitsleistung hat, darf der Urlaubsantritt nicht vereinbart werden, wenn diese Umstände bereits bei Abschluß der Vereinbarung bekannt waren. Geschieht dies dennoch, gilt der Zeitraum der Arbeitsverhinderung nicht als Urlaub.“
Da bei der Urlaubsverbrauchsvereinbarung bekannt war, dass Ingrid Fair einen SWÖ-KV-Entgeltfortzahlungsanspruch für die Übersiedlung hat, können diese 2 „Übersiedlungs-Arbeitstage“ nicht als Urlaubstage vereinbart werden.
Es sind daher nur 3 Arbeitstage vom offenen Urlaubssaldo abzuziehen.