Der Mittwochs-Fall
Herzlichen Dank für die zahlreichen, begeisternden Rückmeldungen, die wir, Tina Dangl und ich, von Ihnen zu unseren Mittwochsfällen (MWF) erhalten haben.
SIE und IHR Feedback sind „Schuld“, dass wir – trotz zeitlicher Vollauslastung mit GPLA‑, Reisekosten-Projekten und Vorträgen (nur mehr ganz wenige freie Termine in den Monaten Mai und Juni!) garantiert weiterhin MWF erstellen werden ;-)).
Was wollen wir, Tina Dangl und Ernst Patka, mit dem Mittwochs-Fall erreichen?
Sachverhalt
Der deutsche Autokonzern Dieselgate GmbH muss bei seinen beiden österreichischen Tochterfirmen Personal abbauen.
Die folgenden 3 Dienstvertragsbeendigungen schauen wir uns näher an.
FALL 1:
Beendigung des Dienstvertrages Ulrich Kreditti
Die deutsche Dieselgate GmbH hat in Österreich eine eigene Bank, die Dieselgate Finanzierungsbank GmbH (finanziert Autokäufe; unterliegt dem Bankenkollektivvertrag).
Ulrich Kreditti (39 Jahre; letzter Bruttomonatsgehalt: EUR 4.150,00) arbeitet seit 1. Jänner 2000 in dieser österreichischen Konzerntochter als Kreditsachbearbeiter.
Sein Dienstverhältnis soll zum 30. Juni 2019 beendet werden. Die Trennungsgespräche übernimmt der Personal-Chef der deutschen Muttergesellschaft, Dr. Karl-Friedrich Börne.
Dr. Börne befürchtet aufgrund der Vorgespräche mit Ulrich Kreditti, dass dieser eine Dienstgeberkündigung bei Gericht anfechten wird.
Auch wenn Ulrich Kreditti geringe Erfolgs-Chancen hinsichtlich seiner Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit hat, will die Bank auf gar keinen Fall mit Personalabbau-Themen in den Medien aufscheinen. Daher strebt Dr. Börne eine einvernehmliche Dienstvertragsauflösung an.
Damit Ulrich Kreditti die einvernehmliche Auflösung annimmt, bietet ihm Dr. Börne Folgendes an:
„Als Gegenleistung für die Zustimmung zur einvernehmlichen Dienstvertragsauflösung erhalten Sie eine Abfertigung, die nicht Ihren tatsächlichen 19,5 Dienstjahren, sondern 20 Dienstjahren (= 9 Monatsentgelte) entspricht.“
Ulrich Kreditti unterschreibt und Dr. Börne weist die Lohnverrechnung der Dieselgate Finanzierungsbank GmbH an, die zusätzlichen 3 Monatsentgelte als nach der „Viertelregelung“ begünstigte freiwillige Abfertigung abzurechnen und auszuzahlen.
Korrekt?
Beendigung der Dienstverträge mit Wilhelmine Klemm und Frank Thiel
Die deutsche Dieselgate GmbH hat in Österreich eine Handelsgesellschaft, die Dieselgate Autohandels GmbH (handelt mit Pkw; unterliegt dem Handelskollektivvertrag).
FALL 2:
Beendigung Dienstvertrag
Wilhelmine Klemm
Wilhelmine Klemm (52 Jahre; letzter Bruttomonatsgehalt: EUR 3.550,00) arbeitet seit 1. Juli 1995 in dieser österreichischen Konzerntochter als Bilanzbuchhalterin.
Ihr Dienstverhältnis kündigte der Personal-Chef der deutschen Muttergesellschaft, Dr. Karl-Friedrich Börne zum 31. Dezember 2018. Wilhelmine Klemm hat diese Kündigung als sozialwidrig angefochten.
Der Richter hat am ersten Verhandlungstag dem Rechtsvertreter der Dieselgate Autohandels GmbH signalisiert, dass sich der Dienstgeber mit der Dienstnehmerin einigen soll, sonst droht ein Urteil, das die Kündigung als rechtswidrig feststellt.
Das will Dr. Börne auf gar keinen Fall. Er bietet Wilhelmine Klemm eine freiwillige Abfertigung im Ausmaß von 3 Monatsgehältern, wenn sie dafür die Anfechtungsklage zurückzieht.
Die Vereinbarung lautet:
„Als Danke-Schön für Ihre Verdienste, sowie für Ihre langjährige Treue zur Dieselgate Autohandels GmbH und dafür, dass die Dienstnehmerin Ihre Kündigungsanfechtungsklage bei Gericht zurückzieht, erhält Sie eine freiwillige Abfertigung im Ausmaß von 3 (drei) Bruttomonatsgehältern“.
Wilhelmine Klemm stimmt diesem Vorschlag zu. Dr. Börne weist die Lohnverrechnung der Dieselgate Finanzierungsbank GmbH an, die zusätzlichen 3 Monatsentgelte als nach der „Viertelregelung“ begünstigte freiwillige Abfertigung abzurechnen und auszuzahlen.
Korrekt?
FALL 3:
Beendigung Dienstvertrag
Frank Thiel
Frank Thiel (63 Jahre; letzter Bruttomonatsgehalt: EUR 4.300,00) arbeitet seit 1. März 1991 in der Dieselgate Autohandels GmbH als Autoverkäufer.
Sein Dienstverhältnis soll zum 30. Juni 2019 beendet werden. Die Trennungsgespräche übernimmt ‒ wie kann es anders sein ‒ wieder der Personal-Chef der deutschen Muttergesellschaft, Dr. Karl-Friedrich Börne.
Frank Thiel hat es satt, sich ständig hinsichtlich der Dieselmotoren bei kritischen Kunden rechtfertigen zu müssen. Außerdem hat er – was Dr Börne nicht weiß ‒ ein kleineres Vermögen geerbt, das ihn finanziell unabhängig leben lässt.
Dr. Börne gegenüber signalisiert Frank Thiel, gerne ein zusätzliches finanzielles Angebot anzunehmen, da er sowieso beabsichtigt ‒ aufgrund der erbschaftsbedingten finanziellen Unabhängigkeit ‒ die Korridorpension in Anspruch zu nehmen.
Dr. Börne bietet Frank Thiel für eine einvernehmliche Dienstvertragsauflösung an, ihm zusätzliche zur gesetzlichen Abfertigung (= Jahresbruttogehalt) noch weitere 3 Bruttomonatsgehälter als freiwillige Abfertigung auszuzahlen.
Die Vereinbarung lautet:
„Als Danke-Schön für Ihre Verdienste, sowie für Ihre langjährige Treue zur Dieselgate Autohandels GmbH erhalten Sie eine freiwillige Abfertigung im Ausmaß von 3 (drei) Bruttomonatsgehältern.
Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihren neuen Lebensabschnitt (Ruhestand).“
Dr. Börne weist die Lohnverrechnung der Dieselgate Finanzierungsbank GmbH an, die zusätzlichen 3 Monatsentgelte als nach der „Viertelregelung“ begünstigte freiwillige Abfertigung abzurechnen und auszuzahlen.
ad 1) Nein, das ist keine freiwillige Abfertigung sondern eine Zahlung für den Verzicht auf künftige Arbeitsleistungen, daher Abrechnung nach §67/1–2 bzw 67/10
ad 2) Nein, das ist keine freiwillige Abfertigung nach §67/6 sondern eine Vergleichszahlung nach 67/8
ad 3) das ist knifflig — hier würde ich eher die Besteuerung nach §67/6 zulassen
Lieber Herr Proksch, Sie werden bei der Lösung — insbesondere beim Fall 1 — überrascht sein. Ein weiterer Beweis dafür, dass Lohnverrechnung nicht nur ein Drücken auf das “EDV-Knopferl” ist, wie viele Unternehmensleiter der fatalen Ansicht sind.
Danke für das Mitmachen und das Kommentieren des aktuellen Mittwochsfall.
Ich wünsche eine erfolgreiche Arbeitswoche.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA
Fall 1. Abgangsentschädigung
Fall 2: Vergleichszahlung
Fall 3: freiwillige Abfertigung
Hallo, Herr Beyer,
ich verspreche Ihnen, dass zumindest eine Lösung von Ihren Lösungen abweichen wird und Sie daher überraschen wird.
Wie ich bereits bei Herrn Proksch feststellte:
Die Lösungen zeigen, dass Lohnverrechnung nicht nur ein Drücken auf das “EDV-Knopferl” ist, wie viele Unternehmensleiter der fatalen Ansicht sind.
Danke für das Mitmachen und das Kommentieren des aktuellen Mittwochsfall.
Ich wünsche eine erfolgreiche Arbeitswoche.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA
zu Fall 1: er hat 19,5 Dienstjahre, daher 6 Monate gesetzliche Abfertigung und die restlichen 3 Monate sind eine Abgangsentschädigung.
Hallo, Herr Beyer,
ich will nicht zuviel verraten, aber der Fall 1 hat eine besondere Facette, der in von den üblichen Lösungsansätzen in vergleichbaren Fällen unterscheidet.
Diese Facette ist auch die gewollte Botschaft bzw der beabsichtigte Hinweis des Beispiels, worauf zusätzlich bei Abrechnungen stets zu achten ist.
Mehr dazu dann nächsten Mittwoch.
Ich wünsche eine erfolgreiche Arbeitswoche.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA
Meine Vermutung:
Fall 1. : §32 KV Banken: “Im Falle einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung eines Arbeitnehmers mit mehr als fünf im Institut verbrachten Jahren erhöht sich die gesetzliche Kündigungsfrist um zwei Monate. Die gebührende gesetzliche Abfertigung erhöht sich in diesen Fällen um zwei Monatsentgelte”
Im Fall einer (hier offensichtlich “verschleierten”) Dienstgeberkündigung würden also 6+2 Monatsentgelte anfallen.
Daher mein Vorschlag:
8 Monatsentgelte gesetzliche Abfertigung
1 Monatsentgelt Abgangsentschädigung
Fall 2: Vergleichszahlung
Fall 3: freiwillige Abfertigung
Sehr geehrte Frau Egger,
Sie haben den Banken-Kollektivvertrag korrekt zitiert und dadurch taucht ein zusätzliches Problem auf.
Der Kollektivvertrag spricht dann von einer zusätzlichen Abfertigung von 2 Monatsentgelten, wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer kündigt. Im Beispielfall liegt hingegen eine einvernehmliche Dienstvertragsauflösung vor!?!?
Ich wünsche eine erfolgreiche Arbeitswoche.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA
Fall 1)
Hier liegt mE eine freiwillige Abfertigung vor.
Warum keine Abgangsentschädigung? Diese wäre „eine Zahlung für den Verzicht auf weitere Beschäftigung für künftige Lohnzahlungsräume“! Der MA wird ja bis Ende der Kündigungsfrist beschäftigt und auch bezahlt.
(KV-Reglung mit 2 zusätzlichen Monatsentgelte trifft ja nur bei DG-Kündigung zu und käme jetzt bei der Einvernehmlichen Auflösung nicht zum Tragen. Hätte der DG gekündigt, hätte DN diese zusätzlichen Monatsentgelte erhalten. DN hat daher eigentlich nur ein zusätzliches Monatsentgelt „freiwillig“ erhalten!)
Fall 2)
Hier handelt es sich mE um eine Abgangsentschädigung.
Die Angelegenheit sieht zwar im ersten Moment nach einer (außergerichtlichen) Vergleichszahlung aus. Aber es gibt keine offenen, strittigen Entgeltansprüche! Es sind solche auch nicht geltend gemacht worden bzw. eingeklagt worden.
Die 3 Monatsgehälter werden dafür gezahlt, dass die DN die Kündigung akzeptiert (und nicht weiter vor Gericht bekämpft).
Ich meine daher, dass hier eine Abgangsentschädigung vorliegt.
(daher Versteuerung nach Tarif)
Zusätzlich ist anzumerken, dass in diesem Fall mE der KV schlagend wird mit der Regelung von 2 zusätzlichen Monatsgehältern an Abfertigung (ist aber nicht Thema der Fallbeschreibung).
Fall 3
Den Fall sehe ich auch so wie die Schreiber oberhalb:
freiwillige Abfertigung!
Anmerkung:
Regelung aus KV:
Bei DG-Kündigung kämen 2 Monatsentgelte dazu!
Bei DN-Kündigung kämen auch 2 Monatsentgelte dazu (wegen Korridorpension)
Fortsetzung:
Hier liegt aber eine einvernehmliche Auflösung vor, bei der dem DN ja auch der volle Abfertigungsanspruch zusteht … ?
In der Praxis in diesem Fall aber wohl egal, ob gesetzliche Abfertigung oder freiwillige Abfertigung.
Außerdem ist dieser MA je bei der Dieselgate Autohandels GmbH beschäftigt. Daher gilt da vermutlich ein anderer KV.(?)
Wieso wird die Lohnverrechnung von der D. Finanzierungsbank durchgeführt?