Mittwochs-Fall – das sagt Ihnen (noch) nichts? 2 x im Monat präsentieren wir Ihnen den Mittwochs-Fall
Was wollen wir, Tina Dangl und Ernst Patka, mit dem Mittwochs-Fall erreichen?
Lösung Teil 2 der Mittwochsfall-Serie zu Übersiedlungsfälle:
Susanne Karracho ist Personalchefin der „Sozial & Hilfe Österreich“, die dem Kollektivvertrag Sozialwirtschaft Österreich (kurz: SWÖ-KV) unterliegt.
Der § 27 des SWÖ-KV enthält Bestimmungen, bei welchen Dienstverhinderungen das Entgelt weiterzuzahlen ist.
Im Punkt d) des Absatzes 1 ist geregelt, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch bei Wohnungswechsel bei eigenem Haushalt
2 Arbeitstage pro Kalenderjahr umfasst.
Susanne Karracho hat
5 Herausforderungen rund um Übersiedlungen zu lösen.
Die Fälle 4+5 landen nun auf Ihrem Tisch. Frau Karracho ist Ihnen für Ihre Unterstützung sehr dankbar.
FALL 4:
Peter Windisch:
Übersiedlung dauert 4 Tage => Entgeltfortzahlung für 4 Tage?
Peter Windisch ist passionierter Sammler von Modellbaufahrzeugen, ‑bahnen und –flugzeugen.
Alleine für das vorsichtige Verpacken und Entpacken seiner Modelle benötigt er 2 Arbeitstage. Die Übersiedlung des Restes seines Inventars dauert weitere 2 Tage. Da der SWÖ-KV-Entgeltfortzahlungsanspruch für die Übersiedlung nur 2 Arbeitstage beträgt, fordert Peter Windisch für die restlichen beiden Tage eine Entgeltfortzahlung gemäß § 8 Abs 3 Angestelltengesetz.
Susanne Karracho wendet sich um Unterstützung an Sie, denn sie zweifelt, ob sie wirklich alle 4 Tage ‒ bedingt durch das besondere Hobby des Peter Windisch ‒ bezahlen muss
Muss die „Sozial & Hilfe Österreich“ das Entgelt für alle 4 Übersiedlungstage weiterzahlen?
Antwort
Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Wir tendieren zu Antwort 2, dh: die „Sozial & Hilfe Österreich“ muss unserer Meinung nach das Entgelt nur für die 2 im SWÖ-KV geregelten Übersiedlungstage weiterzahlen.
- 1In zahlreichen Kollektivverträgen wird dem Dienstnehmer eine gewisse bezahlte Freizeit für einen Wohnungswechsel eingeräumt.
Rechtsprechung gibt es zu dieser Thematik kaum, lediglich das ASG Wien hat zum Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs ausgesprochen, dass 3 Tage für eine Übersiedlung als durchaus noch gerechtfertigt anzusehen sind (ASG Wien 6. 12. 1993, 3 Cga 229/93d, ARD 4629/21/95). - 2Im Gegensatz dazu sieht Dr. Michael Laminger in „Die sonstige Dienstverhinderung von A bis Z“, S 24, im Wohnungswechsel keinen Dienstverhinderungsgrund iSd § 1154b Abs 5 ABGB oder § 8 Abs 3 AngG.
Seiner – unseres Achtens zutreffenden ‒ Rechtsansicht ist es dem Dienstnehmer zumutbar, den Wohnungswechsel auch in seiner Freizeit zu vollziehen, und es ist daher dem Dienstgeber nicht zumutbar, die für den Wohnungswechsel benötigte Freizeit zu bezahlen. Eine höherwertige Pflicht iSd §§ 1154b Abs 5 ABGB und § 8 Abs 3 AngG liegt im Falle eines Wohnungswechsels nicht vor.
Sieht der Kollektivvertrag eine Entgeltfortzahlung bei Wohnungswechsel vor, dann ist dies zugunsten des Dienstnehmers selbstverständlich eine mögliche und rechtlich zulässige Besserstellung, ABER die durch den Kollektivvertrag bezahlte Freizeit ist ein Sonderurlaub und sie ist keine entgeltfortzahlungspflichtige Dienstverhinderung.
Nach dieser Rechtsansicht erhält Peter Windisch nur für 2 Arbeitstage eine Entgeltfortzahlung.
FALL 5:
Tamara Seele:
Tamara Seele war für 2 Pflegeheime verantwortlich. Neben dem Monatsbruttogehalt von EUR 3.150,00 und einem Überstundenpauschale von EUR 150,00 erhielt Sie eine Pflegeheimführungszulage von monatlich brutto EUR 80,00 je Pflegeheim.
Eines der beiden Pflegeheime wurde an eine Fremd-Firmengruppe verkauft und zwar mit Stichtag 30. November 2018. Für diese Übergabe fielen in den Monaten Oktober und November – bis zum Übergabestichtag am 30. November ‒ „übergabebedingte“ Überstunden an, die zusätzlich zum Überstundenpauschale ausbezahlt wurden und zwar in Höhe von EUR 250,00 pro Monat.
Nach diesen beruflichen Turbulenzen widmet sich Tamara Seele der seit Monaten vorbereiteten Übersiedlung. Sie übersiedelt am 3. und 4. Dezember 2018 (= Montag + Dienstag) und beansprucht hierbei den SWÖ-KV-Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe von 2 Arbeitstagen für die Übersiedlung.
Tamara Seele fragt Sie, ob auch für den SWÖ-KV-Entgeltfortzahlungsanspruch das sogenannte Ausfallsentgelt zu bezahlen ist, dh ob es zutrifft, dass sie während der Übersiedlung aliquot ihre bisherigen Bezüge (= EUR 3.150,00 [Gehalt] + EUR 150,00 [Überstundenpauschale] + EUR 160,00 [Pflegeheimführungszulage für 2 Pflegeheime] + EUR 250,00 [einzelabgerechnete Überstunden]) erhält?
Hat Tamara Seele Anspruch auf diese Bezüge für die Zeit der Übersiedlung?
Antwort
Nein. Auch für die Entgeltfortzahlung während der 2 Übersiedlungstage gilt das Ausfallsprinzip. Tamara Seele hat jenes Entgelt zu bekommen, dass sie bekommen hätte, wenn sie gearbeitet hätte und das sind aliquot …
Da die einzelabgerechneten, „übergabebedingten“ Überstunden (= EUR 250,00 pro Monat) mit dem Verkauf des Pflegeheims ‒ somit ab Dezember ‒ nicht mehr anfallen, sind diese nicht in das an Tamara Seele ausbezahlte Ausfallsentgelt während der 2 Übersiedlungstage einzubeziehen.