Was wollen wir, Tina Dangl und Ernst Patka, mit dem Mittwochs-Fall erreichen?
Der aktuelle Mittwochs-Fall behandelt das Zusammenspiel zwischen Betriebsrat und Dienstgeber (Verständigungsverfahren), wenn ein Dienstnehmer gekündigt werden soll
Bevor wir uns dem heutigen Fall zuwenden, eine kurze Übersicht über die Rechtslage:
- 1Der zuständige Betriebsrat (zB soll ein Angestellter gekündigt werden ⇒ Angestellten-Betriebsrat etc) ist vom Dienstgeber zu informieren, wenn dieser beabsichtigt, einen Dienstnehmer zu kündigen.
- 2Dabei ist auch zu beachten, dass der Betriebsrat nach außen durch den Betriebsratsvorsitzenden vertreten wird. Daher ist primär dieser zu informieren. Sofern er abwesend ist, vertritt ihn sein Stellvertreter, der dann anstelle des Vorsitzenden über die Kündigungsabsicht zu informieren ist.
- 3Keine Formvorschrift: Für die Information an den Betriebsrat ist im Gesetz keine besondere Form
Unsere Empfehlung: Aus Beweisgründen (Wann beginnt die „Wochen-Frist“) informieren Sie den Betriebsrat schriftlich (Namensnennung des zu kündigenden Dienstnehmers).
- 4Im Anschluss an die Information hat der Betriebsrat eine Woche Zeit, um zur beabsichtigten Kündigung Stellung zu nehmen.
- 5Spricht der Dienstgeber vor Ablauf der 5 Arbeitstage bzw vor dem Einlangen der Betriebsrats-Stellungnahme die Kündigung aus, so ist diese rechtsunwirksam.
- 6Der Betriebsrat hat 3 Möglichkeiten auf die Kündigungsverständigung zu reagieren:
Kennen Sie PVP — die Zeitschrift für den Praktiker?
Wenn Sie eine Fachzeitschrift suchen, die Praxisfälle pragmatisch und ohne endloses Juristengeschwafel löst, dann sind Sie hier genau richtig!
Nach den rechtlichen Grundlagen — zum konkreten Mittwochs-Fall:
Der Dienstgeber beabsichtigt ihn zu kündigen, nachdem
Montag, der 10. September 2018
An diesem Tag verständigt Roswitha Zacharias, die Personalleiterin des Unternehmens schriftlich Robert Hudriwu, den Betriebsratsvorsitzenden von der beabsichtigten Kündigung des Kurt Nörgel.
Wichtiger Hinweis:
Da der genaue Kündigungszeitpunkt noch nicht feststand, wurde Robert Hudriwu, der Betriebsratsvorsitzenden zwar über die Tatsache dass Kurt Nörgel gekündigt werden soll, aber noch nicht über den konkreten Kündigungstermin, informiert.
Montag, der 10. September 2018
Da der Großteil der Belegschaft nicht unglücklich über die Trennung von Kurt Nörgel ist und damit dieser auf gar keinen Fall die Dienstgeberkündigung aufgrund Sozialwidrigkeit (Alter!) anfechten kann, stimmt an diesem Tag der Betriebsrat der Kündigung von Kurt Nörgel ausdrücklich zu, A B E R …
Robert Hudriwu, der Betriebsratsvorsitzende, vergaß in seiner Gschusseligkeit, Roswitha Zacharias, die Personalleiterin über diesen Betriebsratsbeschluss zu informieren.
Dienstag, der 11. September 2018
An diesem Tag verständigt Roswitha Zacharias, die Personalleiterin des Unternehmens schriftlich Robert Hudriwu, den Betriebsratsvorsitzenden von der beabsichtigten Kündigung des Kurt Nörgel.
- der Kündigungsausspruch am Montag, den 24. September 2018 erfolgen,
- Dienstvertrags-Ende soll der Dezember 2018 sein
Donnerstag, 20. September 2018
Robert Hudriwu, der Betriebsratsvorsitzende, teilt ‒ innerhalb einer Woche ab Kenntnis des konkreten Kündigungstermines ‒ ebenfalls per Mail Roswitha Zacharias, der Personalleiterin ‒ erstmals ‒ mit, dass der Betriebsrat der Kündigung von Kurt Nörgel ausdrücklich zustimmt.
Montag, 24. September 2018
Roswitha Zacharias, der Personalleiterin, übergibt Kurt Nörgel persönlich die schriftliche Kündigung per 31. Dezember 2018.
Donnerstag, 27. September 2018
Der Fall landet auf Ihrem Schreibtisch – Bitte Ihre Entscheidung, ob die Kündigung von Kurt Nörgel wegen Sozialwidrigkeit angefochten werden kann oder nicht
Lösung
Ja, Kurt Nörgel kann die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anfechten, trotzdem nur 2 Tage zwischen Info an Betriebsrat hinsichtlich konkreten Kündigungstermin und Stellungnahme des Betriebsrates liegt.
Begründung
(siehe hierzu: OGH 28. 6. 2018, 9 ObA 30/18d):
- 1Der Betriebsinhaber hat nach dem Arbeitsverfassungsgesetz vor jeder Kündigung den Betriebsrat zu verständigen, der innerhalb einer Woche dazu Stellung nehmen kann.
- 2Stimmt der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich zu, kann der Dienstnehmer die Kündigung nicht mehr wegen Sozialwidrigkeit anfechten.
- 3Der Oberste Gerichtshof hielt fest, dass die Verständigung des Betriebsrats nur eine Absichtserklärung des Dienstgebers ist und zwar über eine konkret beabsichtigte Kündigung. Ein bestimmter Kündigungstermin muss darin aber noch nicht genannt sein.
- 4Daher wurde der Betriebsrat korrekt und rechtsgültig am Montag, den 10. September 2018 verständigt.
- 5Die dadurch ausgelöste einwöchige Frist für die Stellungnahme des Betriebsrats ist eine nicht verlängerbare Höchstfrist.
- 6Bei ein- und demselben Kündigungsfall wird durch eine weitere Verständigung des Betriebsrates (zB über den konkreten Kündigungstermin) keine weitere Frist ausgelöst, weil sonst selbst eine kommunizierte Stellungnahme des Betriebsrates nachträglich revidiert werden könnte.
- 7Das bedeutet, dass die Bekanntgabe des konkreten Kündigungstermines an den Betriebsrat am Dienstag, den 18. September 2018 keine neue einwöchige Stellungnahmefrist auslöst.
- 8Da daher die Wochenfrist bereits mit der ersten Verständigung am 10. September 2018 ausgelöst wurde, innerhalb dieser Frist aber keine Stellungnahme des Betriebsrats an den Betriebsinhaber erfolgt war, kann Kurt Nörgel die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anfechten.
Der Fall in einem Satz:
Eine Kündigung ⇒ es gibt nur eine Wochenfrist
Ergänzung (= Sehr gute Empfehlung des Herrn Christoph Mandl [RB International]) in seinem Kommentar zum MWF: „Um die Sache zu „sanieren“ würde ich Herrn Nörgler nochmals kündigen und der Betriebsrat kann dieser erneuten Kündigung ausdrücklich und schriftlich rechtzeitig zustimmen und der Personalleitung mitteilen. Dadurch verliert die Firma maximal die Zeit bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin, egal wie das erste Kündigungsanfechtungsverfahren ausgeht.“