Juli 18, 2024

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Inhalts­über­sicht

1. Vor­be­mer­kun­gen

2. Son­der­wo­chen­geld – Ände­run­gen im ASVG 

2.1.   Son­der­wo­chen­geld: Vor­aus­set­zun­gen, Bezugs­dau­er und Höhe
2.2.
  Güns­tig­keits­ver­gleich zwi­schen Son­der­wo­chen­geld und regu­lä­rem Wochen­geld
2.3.   Teil­ver­si­che­rung
2.4.   Inkrafttreten

3. Anpas­sun­gen beim Kinderbetreuungsgeld

4. Anpas­sun­gen im Mut­ter­schutz­ge­setz (MSchG) und Väter­k­a­renz­ge­setz (VKG)

4.1. Vor­la­ge eines Frei­stel­lungs­zeug­nis­ses wäh­rend der Karenz
4.2. Frei­stel­lungs­zeug­nis – kein vor­zei­ti­ges Ende der Karenz
4.3. Wei­ter­zah­lung des Arbeits­ent­gelts
4.4. Gleich­ge­schlecht­li­che Beziehung

5. Ände­run­gen beim Betrieb­li­chen Mit­ar­bei­ter- und Selb­stän­di­gen­vor­sor­ge­ge­setz (BMSVG)

6. Beglei­tung von Kin­dern bei Rehabilitationsaufenthalt

7. Tipps für die Praxis

1. Vor­be­mer­kun­gen

Frau­en, die

  • neu­er­lich schwan­ger wer­den und
  • deren Beschäf­ti­gungs­ver­bot gemäß MSchG („Ver­si­che­rungs­fall Mut­ter­schaft“) zu einem Zeit­punkt beginnt, wäh­rend sie noch in Eltern­ka­renz sind, aber
  • kein Kin­der­be­treu­ungs­geld mehr beziehen,

haben nach bis­her gel­ten­den Rechts­la­ge kei­nen Wochen­geld-Anspruch ➪ „Wochen­geld­fal­le“.

Betrof­fen sind in der Pra­xis vor allem jene Dienst­neh­me­rIn­nen, die

  • sich für das ein­kom­mens­ab­hän­gi­ge Kin­der­be­treu­ungs­geld ent­schie­den haben (bis zum voll­ende­ten 1. Lebens­jahr des Kin­des), aber
  • eine län­ge­re gesetz­li­che Karenz in Anspruch nehmen.

Dass die­se „Wochen­geld­fal­legegen EU-Recht ver­stößt wur­de vom OGH bereits im Jahr 2022 fest­ge­stellt (OGH 30. 8. 2022, 8 ObA 42/22t, ARD 6845/5/2023).

Obwohl die aktu­el­le Regie­rung bei jeder nur sich bie­ten­den Gele­gen­heit betont, Fami­li­en zu för­dern, wur­de die Rechts­la­ge bis Mit­te 2024 nicht geändert.

Es blieb bis Juni 2024 dabei: Zwei Kin­der und kein Geld ➪ Die Tücken des Wochen­gelds. Die Regie­rung reagiert erst 22 Mona­te(!) nach dem OGH-Urteil … 

und erst jetzt hat die Wochen­geld­fal­le ein Ende:

Das Son­der­wo­chen­geld-Gesetz (BGBl I/2024/64, aus­ge­ge­ben am 4. Juli 2024) schafft rück­wir­kend(!) Abhil­fe.

Link zum BGBl ➪ https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2024_I_64/BGBLA_2024_I_64.pdfsig

2. Son­der­wo­chen­geld

2.1 Vor­aus­set­zun­gen, Bezugs­dau­er und Höhe 

Vor­aus­set­zung für den Anspruch auf ein Son­der­wo­chen­geld, ist, dass

a) bei Ein­tritt des indi­vi­du­el­len oder abso­lu­ten Beschäf­ti­gungs­ver­bo­tes
b) eine Karenz, aber
c) kein Wochen­geld­an­spruch besteht, jedoch
d) ein Wochen­geld­an­spruch ohne Karenz gege­ben wäre.

Dau­er der Aus­zah­lung:

Das Son­der­wo­chen­geld wird 8 Wochen vor bis 8 Wochen nach der Geburt gezahlt, bei beson­de­ren Umstän­den (Früh­ge­burt, Mehr­lings­ge­burt, Kai­ser­schnitt) 12 Wochen.

Die Höhe

… ent­spricht dem erhöh­ten Kran­ken­geld, basie­rend auf dem letz­ten Arbeits­ver­dienst. Liegt die­ser Arbeits­ver­dienst zur Gän­ze in einem ver­gan­ge­nen Kalen­der­jahr, so hat der Kran­ken­ver­si­che­rungs­trä­ger den Wert zu valo­ri­sie­ren.

2.2 Güns­tig­keits­ver­gleich zwi­schen Son­der­wo­chen­geld und regu­lä­rem Wochengeld 

Um Ungleich­hei­ten zwischen

  • Son­der­wo­chen­geld (ande­re Bemes­sungs­grund­la­ge als das „regu­lä­rem“ Wochen­geld) und
  • dem „regu­lä­rem“ Wochen­geld zu vermeiden,
wird ein Güns­tig­keits­ver­gleich in den fol­gen­den 2 Fäl­len durch­ge­führt:
  1. 1
    Wenn die Mut­ter­schaft inner­halb von 13 Wochen / 3 Mona­te nach der Karenz beginnt oder
  2. 2
    wenn eine Per­son nach dem Ende der Bezugs­dau­er des Kin­der­be­treu­ungs­gel­des nicht in Karenz bleibt, son­dern die Arbeits­zeit her­ab­setzt („Teil­zeit“).

Der Güns­tig­keits­ver­gleich erfolgt in die­sen 2 Schrit­ten durchgeführt:

Es wird ein fik­ti­ves Son­der­wo­chen­geld wie folgt berech­net: Es wird herangezogen

a) der Arbeits­ver­dienstvor dem letz­ten Wochen­geld­be­zug oder,

b) soll­te das vor­an­ge­gan­ge­ne Kind adop­tiert oder in Pfle­ge genom­men wor­den sein, der Arbeits­ver­dienst vor Beginn der Karenz (des ers­ten Karenz­teils) nach dem MSchG.

Wenn das fik­ti­ve Son­der­wo­chen­geld höher ist als das regu­lä­re Wochen­geld, wird das höhe­re fiktive Son­der­wo­chen­geld aus­ge­zahlt.

2.3 Teil­ver­si­che­rung

Wäh­rend der Zeit, in der das Son­der­wo­chen­geld aus­be­zahlt wird, ist die Per­son kran­ken- und pen­si­ons­ver­si­chert. Die Bei­trags­grund­la­ge in der Pen­si­ons­ver­si­che­rung ist das 30-fache des täg­li­chen Sonderwochengeldes.

Bei­trä­ge wer­den vom Fami­li­en­las­ten­aus­gleichs­fonds (FLAF) übernommen.

2.4 Inkraft­tre­ten

Das Gesetz gilt rück­wir­kend ab 1. Sep­tem­ber 2022. Betrof­fe­ne kön­nen bis 30. Juni 2025 Anträ­ge stel­len, wenn das Beschäf­ti­gungs­ver­bot vor der Geset­zes­ver­kün­dung eintrat.

3. Anpas­sun­gen beim Kinderbetreuungsgeld

Das Kin­der­be­treu­ungs­geld ruht wäh­rend des Bezugs von Son­der­wo­chen­geld, um Ungleich­be­hand­lun­gen zu vermeiden.

Das Son­der­wo­chen­geld wird nicht als Grund­la­ge für das ein­kom­mens­ab­hän­gi­ge Kin­der­be­treu­ungs­geld her­an­ge­zo­gen, um eine Benach­tei­li­gung erwerbs­ori­en­tier­ter Müt­ter zu verhindern.

Die­se Ände­run­gen gel­ten eben­falls rück­wir­kend ab 1. Sep­tem­ber 2022.

4. Anpas­sun­gen im Mut­ter­schutz­ge­setz (MSchG) und Väter­k­a­renz­ge­setz (VKG)

4.1 Vor­la­ge eines Frei­stel­lungs­zeug­nis­ses wäh­rend der Karenz

Zur Klar­stel­lung ist nun in § 3 Abs 3a MSchG gere­gelt, wann das Beschäf­ti­gungs­ver­bot auf­grund der Vor­la­ge eines Frei­stel­lungs­zeug­nis­ses wäh­rend einer Karenz eintritt.

Das Beschäf­ti­gungs­ver­bot tritt arbeits­recht­lich erst

a) durch Vor­la­ge an den Dienst­ge­ber (nicht mit Datum der Aus­stel­lung durch den Arzt) und

b) mit dem Ende der Karenz ein.

Dies gilt unab­hän­gig davon, ob das Zeug­nis bereits wäh­rend der Karenz oder am ers­ten Arbeits­tag nach der Karenz dem Dienst­ge­ber vor­ge­legt wird.

Hin­weis

Für ein allen­falls wäh­rend der Karenz bestehen­des gering­fü­gi­ges Dienst­ver­hält­nis tritt das indi­vi­du­el­le Beschäf­ti­gungs­ver­bot hin­ge­gen sofort mit Vor­la­ge des Frei­stel­lungs­zeug­nis­ses ein.

4.2 Frei­stel­lungs­zeug­nis – kein vor­zei­ti­ges Ende der Karenz

Um Miss­brauch zu ver­hin­dern, ist eine vor­zei­ti­ge Karenzbeendigung nicht mög­lich, wenn bereits ein Frei­stel­lungs­zeug­nis vorliegt.

Will daher die Dienst­neh­me­rin die Karenz vor­zei­tig ein­ver­nehm­lich been­den, hat sie in der Ver­ein­ba­rung schrift­lich zu bestä­ti­gen, dass ihr kein Frei­stel­lungs­zeug­nis aus­ge­stellt wurde.

Soll­te jedoch die Dienst­neh­me­rin das Zeug­nis nach § 3 Abs 3 MSchG ihrem Dienst­ge­ber nicht vor­le­gen und ein vor­zei­ti­ges Karen­zen­de ver­ein­ba­ren, um im Anschluss das Zeug­nis vor­zu­le­gen, wird die Ver­ein­ba­rung rück­wir­kend unwirk­sam.

4.3 Wei­ter­zah­lung des Arbeitsentgelts

a) Eine zeit­glei­che Zah­lung von Ent­gelt und Son­der­wo­chen­geld ist aus­ge­schlos­sen.

b) Zei­ten, in denen Son­der­wo­chen­geld bezo­gen wurde, …

  • sind gemäß § 14 Abs 4 Mut­ter­schutz­ge­setz beim arbeits­recht­li­chen Anspruch auf die sons­ti­gen, ins­be­son­de­re ein­ma­li­gen Bezü­ge nicht zu berücksichtigen;
  • zäh­len für dienst­zeit­ab­hän­gi­ge Ansprü­che als Dienstzeit; 
  • erhö­hen den Urlaubs­an­spruch.

4.4 Gleich­ge­schlecht­li­che Beziehung

Gleich­ge­schlecht­li­che Eltern­tei­le haben ähn­li­che Rege­lun­gen wie hete­ro­se­xu­el­le Paa­re, um Sozi­al­miss­brauch zu vermeiden.

5. Ände­run­gen beim Betrieb­li­chen Mit­ar­bei­ter- und Selb­stän­di­gen­vor­sor­ge­ge­setz (BMSVG)

Auch wäh­rend des Son­der­wo­chen­geld­an­spru­ches hat der Dienst­ge­ber – ana­log wie für Zei­ten des „regu­lä­ren“ Wochen­gel­des – BV-Bei­trä­ge zu ent­rich­ten.

Die­se Ver­pflich­tung gilt rück­wir­kend ab 1. Sep­tem­ber 2022, wenn

a) der Ver­si­che­rungs­fall der Mut­ter­schaft nach dem 31. August 2022 ein­ge­tre­ten ist und«

b) der – spä­tes­tens bis 30. Juni 2025 bean­trag­te – Son­der­wo­chen­geld­an­spruch rück­wir­kend bewil­ligt wur­de.

6. Beglei­tung von Kin­dern bei Rehabilitationsaufenthalt

Bei not­wen­di­gen Reha­bi­li­ta­ti­ons­auf­ent­hal­ten eines Kin­des gibt es einen Frei­stel­lungs­an­spruch ohne Ent­gelt­fort­zah­lung. Die­se Zei­ten wer­den nicht bei der Wochen­geld­be­rech­nung berück­sich­tigt und gel­ten rück­wir­kend ab 01. Novem­ber 2023.

7. Tipps für die Praxis

a) Das Antrags­for­mu­lar auf der ÖGK-Sei­te zum Son­der­wo­chen­geld fin­den Sie hier ➪ https://bit.ly/Antrag-2024-SoWoG

b) Den Fra­ge-Ant­wor­ten Kata­log der ÖGK zum Son­der­wo­chen­geld fin­den Sie hier ➪ https://bit.ly/FAQ-Juli2024-SoWoG

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  1. Sehr geehr­ter Herr Mag. Patka,

    Unse­re Ange­stell­te (Ein­tritt: 04.04.2022; Mut­ter­schutz ab 05.06.2022; 1. Geburt: 04.12.2022) befin­det sich nach einem Jahr Eltern­ka­renz im Bil­dungs­ka­renz-Jahr (das Ende war am 3.12.2024 vereinbart).
    Sie war für die Dau­er des Bil­dungs­ka­renz­jah­res bei einem frem­den Unter­neh­men gering­fü­gig beschäftigt.
    Mit Kennt­nis der erneu­ten Schwan­ger­schaft liegt uns ein gleich­zei­ti­ges Beschäf­ti­gungs­ver­bot gem. §3 Abs.3 MSchG ‑von der Frau­en­ärz­tin unter­fer­tigt- vor.

    Lt. ÖGK unter­bricht die Schwan­ger­schaft die Bil­dungs­ka­renz und müs­sen wir ab sofort den Bei­trag für die Betriebs­vor­sor­ge­kas­se abrechnen.
    Wir bit­ten Sie uns zu informieren,:
    von wem das Freit­stel­lungs­zeug­nis aus­ge­stellt wer­den müss­te und ob wir tat­säch­lich bereits den BV-Bei­trag zah­len müssen.. 

    Herz­li­chen Dank im Voraus,
    Bir­git­ta Schauperl

    1. Lie­be Frau Schauperl,

      1) § 11 Abs 3 AVRAG regelt die Fra­ge ein­deu­tig ==> Beschäf­ti­gungs­ver­bot (aus­ge­stellt von der Frau­en­ärz­tin) been­det Bil­dungs­ka­renz sofort:

      (3) Für die Dau­er eines in eine Bil­dungs­ka­renz fal­len­den Beschäf­ti­gungs­ver­bo­tes nach den §§ 3 oder 5 MSchG, einer Karenz nach dem MSchG oder Väter-Karenz­ge­setz (VKG), BGBI. Nr. 651/1989, oder ande­ren gleich­ar­ti­gen öster­rei­chi­schen Rechts­vor­schrif­ten, eines Prä­senz­diens­tes gemäß § 19 oder eines Aus­bil­dungs­diens­tes gemäß §§37ff des Wehr­ge­set­zes 2001, BGBI.I Nr. 146/2001, oder eines Zivil­diens­tes gemäß §6a des Zivil­dienst­ge­set­zes BGBI.I Nr. 679/1986, ist die Ver­ein­ba­rung über die Bil­dungs­ka­renz unwirksam.”

      2) Gemäß Son­der­wo­chen­geld­ge­setz wur­de im § 7 Abs 4 des Betrieb­li­chen Mit­ar­bei­ter- und Selb­stän­di­gen­vor­sor­ge­ge­setz eingefügt: 

      Im § 7 Abs. 4 wird nach dem Aus­druck „Anspruchs auf Wochen­geld“ der Aus­druck „oder auf Son­der­wo­chen­geld“ ein­ge­fügt und der Aus­druck „Wochen­geld­be­zug“ durch „Wochen­geld- oder Son­der­wo­chen­geld­be­zu­ges“ ersetzt.“

      Damit sind wäh­rend der Zeit des Bezu­ges von Son­der­wo­chen­geld wie beim „nor­ma­len“ Wochen­geld BV-Bei­trä­ge vom Dienst­ge­ber zu entrichten.

      Mit herz­li­chen Grüßen
      Ernst PATKA

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