… in Gottes Hand
An diesen Ausspruch erinnerte ich mich, als ich einen Fachartikel einer Fachzeitschrift zu atypischen Dienstverhältnissen las.
Beschäftigen Sie freie Dienstnehmer, dann wissen Sie und alle Praktiker, dass nahezu jede GPLA diese Personengruppe sofort als Prüfthema aufgreift.
Aber nicht nur bei der GPLA droht Ungemach, kommt es auch vor, dass Beschäftigte selbst, die zunächst unbedingt „flexibel“ als freie Dienstnehmer arbeiten wollten, dann am Ende der Zusammenarbeit nunmehr doch lieber echte Dienstnehmer sein wollen um bspw die Abgeltung von Urlaubstagen abcashen zu können (frei nach dem Filmtitel: „Der Feind im meinem Bett“).
Was tun? Vorsorglich ‒ so lautet eine sinnvolle Empfehlung ‒ sollte der den freien Dienstnehmer beschäftigende Unternehmer eine salvatorische Klausel – so nennen die Juristen diese Vereinbarung – mit bspw folgendem Wortlaut in den freien Dienstvertrag aufnehmen: „Beide Vertragspartner verstehen das Vertragsverhältnis als freies Dienstverhältnis und das vereinbarte Honorar als Brutto-Fixbetrag. Die Höhe des Honorars wird von beiden Vertragspartnern als unter der Bedingung vereinbart angesehen, dass die vertragsgegenständliche Leistung keinerlei arbeitsrechtliche Verpflichtung und keine Nebenabgaben (Sozialversicherung, Lohnsteuer) verursacht.
Für den Fall, dass das Vertragsverhältnis doch als echtes Arbeitsverhältnis zu werten ist und entsprechende Ansprüche geltend gemacht werden, gilt das kollektivvertragliche Entgelt als vereinbart“.
Ich nenne diese Klausel als Nicht-Jurist“: „Notwehrklausel“
Notwehrklausel deshalb, weil der Unternehmer noch so intensiv die Rechtsprechung etc studieren kann, er wird NIE 100% beurteilen können, ob der freie Dienstvertrag vor Gericht
„hält“.
Damit komme ich zu dem am Beginn dieses Beitrages angesprochenen Fachartikel.
Ein Richter am Arbeits- und Sozialgericht vertritt in diesem Artikel die Ansicht, dass obige Klausel sittenwidrig ist.
Seine Argumente sind:
- Die durch eine Umqualifizierung von freien in echten Dienstnehmer auftretenden Mehrkosten sind für den Richter „vermeidbare Kalkulationsfehler“. Das Wort „vermeidbar“ ist besonders pikant, fast schon zynisch, wo selbst Richter – wie ich noch zeigen werde – ein Beschäftigungsverhältnis nicht richtig einordnen können.
- Wenn das Gericht einen freien Dienstvertrag als echten Dienstvertrag quali?ziert, dann ist das nach Ansicht dieses Richters rechtswidrig „unabhängig davon, ob den Dienstgeber an diesem Verhalten ein Verschulden trifft“. Folglich ist – so seine Ansicht – eine auf ein rechtswidriges Verhalten gerichtete salvatorische Klausel
sittenwidrig.
Ich halte fest: Es gibt rechtlich die Möglichkeit, jemanden als freien Dienstnehmer zu beschäftigen ⇒ Aber die Rechtslage ist derart undurchschaubar, dass selbst Richter – wie ich noch zeigen werde – ein Beschäftigungsverhältnis nicht richtig einordnen können. ⇒ Die Tatsache, dass die Gerichtsentscheidung nicht vorhersehbar ist, ist für den Richter am Arbeits- und Sozialgericht nebensächlich, denn schließlich hat der Unternehmer das Unternehmerrisiko ⇒ Für dieses Risiko – aufgrund der widersprüchlichen Rechtsprechung – vorzusorgen, ist aber sittenwidrig! ⇒ Aus meiner Sicht ziemlich praxisfern!
Ich könnte den Ausführungen mE zustimmen, aber NUR dann, wenn klare „Regeln“ vorlägen, wann freie und wann echte Dienstverhältnisse vorliegen. Verletzt der Dienstgeber diese Regeln und sichert sich zusätzlich durch die salvatorische Klausel, teile ich seine Meinung; dies wäre sittenwidrig.
Nun sind wir beim Kernproblem
Es gibt KEINE klare Regeln, anhand der der Unternehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Risiko abschätzen kann, ob die Beschäftigung als freier Dienstnehmer vor Gericht „hält“. Dass klare Regeln fehlen, zeigt, der Umstand, dass selbst Richter unterschiedlich urteilen.
Sprachlehrer
Rechtsberater im Asylverfahren
Aerobic-Trainerin
Salvatorische Klauseln sind nach Rechtsansicht des Arbeits- und Sozialgerichtes sittenwidrig ‒ eine juristisch möglicherweise nachvollziehbare Argumentation – das zu beurteilen, fehlt mir die Kompetenz.
Sie ist praxisfern, ja ich würde sogar meinen, es ist zynisch, dem Unternehmer auf sein Unternehmerrisiko zu verweisen. Der Unternehmer müsse erkennen, was die richtige Beschäftigungsform ist. In Wahrheit aber begibt sich der Unternehmer in Gottes Hand, weil selbst die Rechtsprechung immer wieder ein und denselben (!) Sachverhalt, mal so und mal so beurteilt.