Der Dienstnehmer „frisierte“ sein Fahrtenbuch ➪ Der Dienstgeber zahlt deshalb bei der Lohnabgabenprüfung mehr als EUR 6.500,00 nach. ➪ Er fordert, dass der Dienstnehmer den gesamten Nachzahlungsbetrag vereinbarungsgemäß ersetzen muss.
Mein Team und ich, wir präsentieren Ihnen wieder einen Fall nach der U.N.I.-Methode (Unterhaltsam, Nachhaltig, Informativ), wie er sich so oder ähnlich jederzeit in der Praxis ereignen kann.
Lesen Sie den Sachverhalt und dann stellen wir Ihnen 2 Fragen, die Sie gerne im Kommentarfeld unseres BLOGs beantworten können.
Achtung: Sie wissen bereits als Kenner unserer U.N.I.-Fälle: Was einfach aussieht, kann trotzdem unerwartete, aber interessante und lehrreiche Lösungsinhalte haben.
Am Dienstag, den 8. September kommt die – garantiert teilweise überraschende – Auflösung.
Sachverhalt
Emil Schurkerl, wohnhaft in Wörgl (Tirol) tritt als Angestellter am 1. Jänner 2017 in die Warenhandels GmbH (Sitz in Wien) ein. Er ist Verkaufsleiter für Tirol (inkl Ost- und Südtirol) und Vorarlberg.
Er bekommt einen Firmen-Pkw: Skoda SUPERB Combi Ambition TDI DSG:
- Neuwagen: Anschaffung und Erstzulassung im Jänner 2017
- Anschaffungswert inkl Normverbrauchsabgabe und Umsatzsteuer:
EUR 42.000,0 - CO2-Ausstoß: 119 g/km
Die Bezüge des Emil Schurkerl:
- 2017: Bruttobezug: EUR 4.250,00 (14x)
- 2018: Bruttobezug: EUR 4.500,00 (14x) + Prämie für 2017, ausgezahlt im Dezember 2018 in Höhe von EUR 30.000,00. Da der gesamte Prämienbetrag das Jahressechstel überschreitet und daher zum Tarif versteuert wird, beträgt in diesem Monat der Grenzsteuersatz 50%.
Emil Schurkerl ist
Er möchte keinen Sachbezug in seiner Lohnverrechnung, da er – so seine Aussage – keine Privatfahrten mit dem Firmen-Pkw (Skoda) unternehmen wird.
Seine Argumentation:
a) Zu Besprechungen im Unternehmen in Wien reist er mit dem Zug.
b) Für Privatfahrten nutzt er als überzeugter AUDI-Fahrer seinen AUDI.
Die Vereinbarung:
Der Geschäftsführer der Warenhandels GmbH vereinbart mit Emil Schurkerl:
Es wird in der Gehaltsverrechnung kein Sachbezug angesetzt. Dafür verpflichtet sich Emil Schurkerl:
I. laufend ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu führen, und
II. monatlich die entsprechenden Fahrtenbuchseiten einzuscannen, und
III. diese gemeinsam mit dem abfotografierten Kilometerstand zum Monatsletzten an die Personalabteilung zu mailen.
IV. Sollte Emil Schurkerl den Firmen-Pkw (Skoda) doch privat nutzen, dann muss dies im Fahrtenbuch klar erkennbar sein, weil dann ein Sachbezug in der Gehaltsverrechnung angesetzt wird.
V. Schließlich wird auch vereinbart, dass Emil Schurkerl alle Abgabennachzahlungen, die die Warenhandels GmbH aufgrund eines mangelhaft geführten Fahrtenbuches an Behörden leisten muss, dem Dienstgeber ersetzen muss.
Emil Schurkerl unterschreibt die Vereinbarung, führt ein Fahrtenbuch und mailt jeweils am Monatsletzten das Foto mit dem Kilometerstand und die eingescannten Fahrtenbuchseiten, die keine Privatfahrten ausweisen.
Im Herbst 2019 findet eine Lohnabgabenprüfung statt. Der Prüfer stellt fest, dass Emil Schurkerl einige Privatfahrten in den Jahren 2017 und 2018 mit dem Firmen-Pkw unternommen hat (2017: 1.800 km; 2018: 1.950 km).
Beispielsweise
Emil Schurkerl frisierte das Fahrtenbuch, in dem er die Privatfahrten durch fiktive (erfundene) betriebliche Fahrten ersetzte. Er tat dies so geschickt, dass dies dem Dienstgeber nicht auffiel.
Der Lohnabgabenprüfer informiert den Dienstgeber, dass er für die Jahre 2017 und 2018 einen halben Sachbezug ansetzen wird.
Der Prüfer schloss die Prüfung mit einem Sachbezugs-Mehrergebnis in Höhe von EUR 6.540,06 ab, das sich wie folgt errechnet:
Erläuterungen:
Der Prüfer setzt für die Jahre 2017 und 2018 je einen halben Sachbezug in Höhe von EUR 315,00 (= Anschaffungswert x 0,75%) pro Monat an ➪ Sachbezugs-Jahreswert: EUR 3.780,00.
1) EUR 3.780,00 x 18,12% = EUR 684,94
2) EUR 3.780,00 x 21,48% = EUR 811,94
3) Der Prüfer setzt – zulässigerweise – den sich aufgrund der Bezugshöhe ergebenden Grenzsteuersatz von 42% an ➪ EUR 3.780,00 abzgl EUR 684,94 (Sozialversicherung-Dienstnehmer-Anteil) x 42% = EUR 1.299,93
4) 2017: EUR 3.780,00 x 4,5% = EUR 170,10
5) 2018: EUR 3.780,00 x 4,3% = EUR 162,54
6) EUR 3.780,00 x 3% = EUR 113,40
7) angenommener und nicht zinsmathematisch exakt berechneter Betrag
Fragen an Sie:
Der Dienstgeber argumentiert, dass kein Sachbezug anzusetzen sei, weil …
a) der Dienstnehmer mit krimineller Energie Manipulationen durchgeführt hat, und zwar derart geschickt, dass diese der Dienstgeber nicht erkennen konnte.
b) Außerdem versicherte der Dienstgeber glaubhaft, dass er einen Sachbezug in der Lohnverrechnung des Emil Schurkerl angesetzt hätte, wenn er von den Privatfahrten gewusst hätte.
Frage 1
Hat der Dienstgeber mit dieser Argumentation eine rechtliche Chance, dass kein Sachbezug anzusetzen ist?
Da Emil Schurkerl fachlich versiert und verkäuferisch sehr stark ist, kommt eine Trennung (Entlassung oder Kündigung) für den Dienstgeber nicht in Frage.
ABER …
… der Dienstgeber informiert Emil Schurkerl, dass er gemäß der abgeschlossenen Vereinbarung in den nächsten 12 Monaten je 1/12 des gesamten Sachbezugs-Mehrkostenergebnisses, somit monatlich EUR 545,01 vom Nettobezug einbehalten wird.
Frage 2
Kann der Dienstgeber das gesamte Sachbezugs-Mehrkostenergebnis beim Emil Schurkerl regressieren?
Wenn nein, welchen Betrag (welche Abgaben) kann der Dienstgeber regressieren?
Wir freuen uns über Ihre Antworten im Kommentarfeld!
zu Frage 1)
nein hat er nicht.
zu Frage 2)
Er kann sich mit der Lst. regressieren, die SV Beiträge meiner Meinung nach nicht. Der Abzug ist nicht gerechtfertigt.
Hallo Frau Scheiber,
a) Volltreffer
b) da geht noch mehr ?
Danke für das Mitmachen – freuen Sie sich auf die überraschende Lösung.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA
1) Nein, aber zumindest über den Minisachbezug verhandeln
2) sollte funktionieren aber nur die DN Anteile (LST und SV-DN Anteil) zusätzlich Säuminszuschlag LST und Verzugszinsen SV
Hallo,
a) Mini-Sachbezug setzt ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch voraus, dass aber genau nicht vorliegt.
b)Hierzu schreibe ich „nur“, um nicht zu viel von der Lösung zu verraten: Sehr gute Argumentation, gratuliere.
Danke für das Mitmachen – freuen Sie sich auf die überraschende Lösung.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA
Ich Tippe auf die LST für den DN, no na, sowie auf die DN-SV.
Die DG-SV, den BV, DZ DZ und KommST wird beim DG picken bleiben.
Hallo,
gratuliere, Sie sind NAHE an der Lösung und trotzdem wird es mir gelingen, Sie mit der Lösung zu überraschen.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA
Zu 1) Rechtfertigen die Argumente aus meiner Sicht nicht, dass keine Sachbezug anzusetzen ist. Wenn die privaten Kilometer klar seitens des Prüfers festgestellt werden konnten, könnte er sogar eher auf aufgrund der Manipulation auf den vollen Sachbezug losgehen (oder noch zusätzliche Privatkilometer sammeln).
zu 2) Punkt V der Vereinbarung sagt “alle Abgabennachzahlungen”, was darauf schließen lassen könnte, dass auch die Dienstgeberabgaben darin inkludiert sind. Ich würde aufgrund des Sachverhalts, es handelt sich eigentlich um einen guten Mitarbeiter, hier aber nicht in juristische Streitereien investieren. Mein Ansatz: Reduktion der Lohnsteuerschuld ans FA, da sich der Sachbezug Sechstelerhöhend auswirkt (2018). Die Dienstgeberabgaben trägt der Dienstgeber da er diese auch bei korrekter Abrechnung getragen hätte, die Lohnsteuer, die DN-SV sowie Säumniszuschlag und Verzugszinsen trägt der Dienstnehmer, da er diese zu tragen hat bzw. aufgrund seines Verhaltens verursacht hat. Herr Schurkerl hat ab Jahresanfang den vollen Sachbezug und kann sein Fahrtenbuch direkt beim Finanzamt vorlegen. Ich habe scheinbar keine geeignetes Personal um Manipulationen, sollte es diese weiterhin geben feststellen zu können ;-).
Hallo,
a) Da haben Sie Recht, die Argumente reichen nicht aus, dass kein Sachbezug angesetzt wird. Wollte der Prüfer den vollen Sachbezug ansetzen, müsste er plausibel erklären, warum er vermutet, dass der Emil Schurkerl mehr wie 6.000 km pro Jahr privat mit dem Firmen-Pkw gefahren ist, was laut Angabe nicht zutrifft è halber Sachbezug ist korrekt.
b) Hierzu schreibe ich „nur“, um nicht zu viel von der Lösung zu verraten: Sehr gute Argumentation, gratuliere. Übrigens: die möglichst konfliktfreie Lösung bevorzuge auch ich, doch dann hätten wir keinen Fall zum Lösen ?)
Danke für das Mitmachen – freuen Sie sich auf die überraschende Lösung.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA
1) Nein. Nur weil sich der MA vorsätzlich schuldhaft verhalten hat, verhindert dies nicht die Gesetzeslage, in der ein Sachbezug angesetzt werden muss.
2) Nicht automatisch. Auf jeden Fall — die Lohnsteuer 2599,86. Möglicherweise noch den DN-Anteil des Dienstnehmers, da es von diesem vorsätzlich war und der DG somit nicht verhindern konnte, dass es zu dieser Nachforderung kommt: -> +1623,88
Alle anderen Kosten vielleicht über das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz,wäre aber gerichtlich?! Wenn sie mit dem Arbeitnehmer das DV nicht auflösen wollen, ist es fraglich wie sinnhaft dies ist. Möglicherweise könnte man auch eine einvernehmliche Vereinbarung treffen, dass der DN darüberhinaus sich an den Kosten beteiligt, da es seine Hauptschuld war. Diese dürfte natürlich aber nicht sittenwidrig sein.
Hallo Frau Schubert,
a) Im Ergebnis haben Sie Recht, bei der Begründung werde ich Sie mit der Lösung in wenig überraschen.
b) Nicht schlecht kombiniert; sehr nahe an der Lösung, aber bspw kann der Dienstgeber die gesamte Lohnsteuer in Höhe von € 2599,86 nicht regressieren!!! ==> Freuen Sie sich auf die überraschende Lösung
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA
1) Da der Prüfer die Manipulationen sehr genau festlegen konnte, dürften sie doch nicht so geschickt gemacht worden sein. Meiner Ansicht nach keine Einspruchsmöglichkeit
2) Ab sofort den Sachbezug in der LV ansetzten; Keine Rückerstattung durch den DN da die Fälligkeit der Ansprüche bereits verjährt ist.
Hallo Frau Lindner,
a) ➪ Lösung trifft zu
b) Verjährung für Regressansprüche beginnt erst mit der Zahlung des Dienstgebers an Abgabenbehörden
Danke für das Mitmachen – freuen Sie sich auf die überraschende Lösung.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA