Mit den Montagsfällen (“MoFa”) präsentieren wir Ihnen interessante und knifflige Fälle aus der Praxis für die Praxis.
Zunächst sind Sie gefordert.
⇨ Beantworten Sie die am Ende des Beitrages gestellte Frage für sich oder im Team und schreiben Sie bitte Ihre Antwort in die Kommentare.
Am darauffolgenden Donnerstag-Vormittag wird Sie der Newsletter mit dem Betreffbeginn: „MoFa‑L“ über die Lösung informieren.
Der Montagsfall vom 12. Juli 2021
Die in Salzburg-Stadt ansässige Wohnwelt GmbH ist eine Warenhandelsgesellschaft mit insgesamt 43 Dienstnehmer*innen, die Wohnideen, Dekorationen, Heimtextilien etc teilweise im Salzburger-Shop, überwiegend (zu ca 90%) über ihren Onlineshop verkauft.
Für Marketingkonzepte, die Homepage-Betreuung und für die Medienkommunikation beschäftigt die Wohnwelt GmbH Herrn Karl-Friedrich Werbemann.
Karl-Friedrich Werbemann ist- deutscher Staatsbürger, 38 Jahre alt, verheiratet, kinderlos;
- Er wohnt in 83339 Chieming (= Familienwohnsitz), einem Ort am Chiemsee.
- Er ist seit 1. März 2017 in der Wohnwelt GmbH beschäftigt.
- In seinem Dienstvertrag ist geregelt, dass das Dienstverhältnis dienstgeberseitig zum 15. und Letzten eines Monats gekündigt werden kann.
Da Karl-Friedrich Werbemann
- seine Aufgaben (zB Homepage pflegen und aktualisieren) auch von zu Hause auch erledigen kann und
- er sich hierbei jeweils ca 100 Minuten Fahrzeit (Chieming ⇨ Büro in Salzburg ⇨ Chieming) erspart und im Sommer die Möglichkeit hat, aufgrund flexibler Arbeitszeit die Annehmlichkeiten des schönen Chiemsees zu genießen,
schlossen auf seinem Wunsch hin er und die Wohnwelt GmbH eine unbefristete, kündbare Home-Office-Vereinbarung, beginnend mit 1. April 2019 ab.
Aufgrund dieser Home-Office-Vereinbarung arbeitet Karl-Friedrich Werbemann jeweils
- am Mittwoch und Donnerstag im Büro in Salzburg und
- am Montag, Dienstag und Freitag im Home-Office in Chieming.
Die Home-Office-Vereinbarung enthält ua die folgende Bestimmung:
„Es wird gemäß Art 3 Rom-I-VO vereinbart, dass für die gesamte Tätigkeit, dh auch für den im Home-Office im Ausland erbrachten Tätigkeitsteil, österreichisches Arbeitsrecht Geltung haben soll.“
Hinweis:
Die Bezugsabrechnung ist NICHT Thema dieses Montagsfalles!
Nähere Infos, wie Bezüge für Dienstnehmer mit Home-Office im Ausland abgabenrechtlich abzurechnen sind, finden Sie im „Home-Office-Sonderheft“ der Personalverrechnung für die Praxis (= Mai 2021-Ausgabe).
Die Zusammenarbeit zwischen Karl-Friedrich Werbemann und dem Geschäftsführer Franz Tuchmann wird zunehmend schwieriger.
Für Medien- und Marketingaktionen erstellt Karl-Friedrich Werbemann Konzepte, die auf einer sehr progressiven Werbelinie beruhen. Diese Werbelinie passt jedoch nach Ansicht des Geschäftsführers Franz Tuchmann nicht zum überwiegend konservativen Kundenkreis der Wohnwelt GmbH.
Es kommt immer wieder zu hitzigen Diskussionen zwischen dem Geschäftsführer Franz Tuchmann und Karl-Friedrich Werbemann.
Am 29. Oktober (Freitag) 2021 findet eine Telefonkonferenz zwischen dem Geschäftsführer Franz Tuchmann, Frau Magda Vendere (für den Onlineverkauf zuständige Mitarbeiterin) und dem an diesem Tag im Home-Office arbeitenden Karl-Friedrich Werbemann statt.
Während dieser Telefonkonferenz eskaliert das „Werbelinienstreit“ zwischen Karl-Friedrich Werbemann und dem Geschäftsführer Franz Tuchmann.
Der Geschäftsführer Franz Tuchmann beendet dieses Gespräch vor Zeugen (= Magda Vendere) mit folgender (Kündigungs)Aussage:
„Herr Karl-Friedrich Werbemann, es ist besser, wir gehen künftig getrennte Wege. Hiermit kündige ich Sie vor Zeugen. Aufgrund der 2‑monatigen Kündigungsfrist endet Ihr Dienstvertrag am 31. Dezember 2021.“
Karl-Friedrich Werbemann bringt bei Gericht eine Anfechtungsklage ein, wonach
a)
seine Kündigung rechtswidrig erfolgte und
b)
sein Dienstverhältnis daher unverändert aufrecht sei
➪ Frage an Sie:
Können Sie dem verunsicherten Geschäftsführer Franz Tuchmann helfen und die Frage beantworten?:
Ist seine Kündigung des Karl-Friedrich Werbemann
Ich freue mich auf Ihren Lösungsvorschlag in den Kommentaren!. Begründen Sie bitte Ihre Entscheidung.
➪ Die Lösung:
Dieser Montagsfall ist eine Warnung an alle Unternehmen, die überlegen, Dienstnehmer mit Wohnsitz im EU-Ausland zu erlauben, im Home-Office zu arbeiten.
Sozialversicherungsrechtliche Herausforderung
Weitgehend bekannt ist die sozialversicherungsrechtliche Herausforderung, wonach auf die „25%-Regel“ zu achten ist.
Bei einer Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten ist gemäß Art 13 der VO 883/2004 der Dienstnehmer dann in seinem EU-Wohnsitzstaat zu versichern, wenn er im Wohnsitzstaat einen wesentlichen Teil all seiner Dienstnehmertätigkeiten (= mindestens 25 % gemessen an der Arbeitszeit während eines 12-Monatszeitraumes; umfasst auch die Nebenjobs im Wohnsitzstaat) ausübt.
Trifft dies zu – wie bspw in diesem Montagsfall –, dann muss der österreichische Dienstgeber den Dienstnehmer im Wohnsitzstaat des Dienstnehmers versichern ➪ Dienstnehmer ist im Wohnsitzstaat den Sozialversicherungsbehörden zu melden + Beitragsabfuhr gemäß Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates.
Lohnsteuerliche Herausforderung
Auch diese Herausforderung ist den Unternehmen, die Dienstnehmer mit Wohnsitz im EU-Ausland gestatten, im Home-Office tätig zu sein, bekannt:
Die Tätigkeitstage in Österreich sind in der Lohnverrechnung lohnsteuerlich zu erfassen. Fallen in einem Monat sowohl Österreich-Tätigkeitstage, als auch Home-Office-Tage im Ausland an, dann ist für die Besteuerung der in Österreich anteilig zu versteuernden Bezugsteile die Tageslohnsteuertabelle zu verwenden.
Gleichzeitig kann (und sollte) der Dienstgeber in der österreichischen Lohnverrechnung – sofern eine Ansässigkeitsbescheinigung, ausgestellt vom Wohnsitzstaat vorliegt – eine Lohnsteuerfreistellung für die Home-Office-Arbeitstage durchführen.
Damit der Dienstgeber die Lohnverrechnung korrekt durchführen und die Abgabenzuständigkeiten in der Sozialversicherung und der Steuer beurteilen kann, benötigt er eine Aufzeichnung darüber,
a) an welchen Tagen im ausländischen Home-Office gearbeitet wurde und (falls überhaupt)
b) an welchen Tagen beim Dienstgeber in Österreich.
Arbeitsrechtliche Herausforderung
Diese Herausforderung ist den Unternehmen, die Dienstnehmer mit Wohnsitz im Ausland gestatten, im Home-Office tätig zu sein, weniger bekannt:
Hier ist die 50%-Grenze zu beachten ➪ Arbeitet der Dienstnehmer überwiegend im Home-Office (Ausland), dann
- gilt gemäß Rom-I-Verordnung das Arbeitsrecht des Dienstnehmer-Heimatstaates(!), außer es wurde in der Home-Office-Vereinbarung eine Rechtswahl – wie im vorliegenden Montagsfall – getroffen, die wie folgt formuliert werden könnte:
„Es wird vereinbart, dass für die gesamte Tätigkeit, dh auch für den im Home-Office im Ausland erbrachten Tätigkeitsteil, österreichisches Arbeitsrecht Geltung haben soll.“
- Beachten Sie: Arbeitet der Dienstnehmer im Ausland und wird hierbei die ausdrückliche Rechtswahl getroffen, dass österreichisches Arbeitsrecht anzuwenden ist, dann gelten dennoch die zwingenden ausländischen Dienstnehmer-Schutzvorschriften (= Eingriffsnormen), die den Dienstnehmer im Vergleich zur österreichischen Rechtsordnung besser stellen (siehe letzter Satz des Art 8 Abs 1 der Rom-I-VO).
- Eingriffsnormen gemäß Art 9 der Rom-I-VO sind somit
a) nationale arbeitsrechtliche Bestimmungen, die
b) im öffentlichen Interesse
c) den Dienstnehmer schützen.
In diesem Fall hat die Wohnwelt GmbH
- Karl-Friedrich Werbemann gestattet, überwiegend in Deutschland (Home-Office) zu arbeiten und
- mit ihm vereinbart, dass trotz überwiegender Tätigkeit im Ausland österreichisches Arbeitsrecht gilt.
Achtung:
Trotz dieser Rechtswahl gelten dennoch deutsche Eingriffsnormen, die für den Dienstnehmer besserstellend sind, wie bspw das deutsche Kündigungsrecht.
Da das deutsche Kündigungsrecht aus Sicht des Dienstnehmers günstiger ist als das österreichische Kündigungsrecht, ist das deutsche Kündigungsrecht trotz Rechtswahl vorrangig gegenüber dem österreichischen Kündigungsrecht anzuwenden!
Dies bedeutet für die Lösung des Montagsfalls:
nach deutschem Kündigungsrecht ist eine mündliche Kündigung rechtsunwirksam ➪ siehe das folgende Zitat aus: https://www.arbeitsrechte.de/kuendigung-per-telefon/
entnommen aus: https://www.arbeitsrechte.de/kuendigung-per-telefon/
Praxis-Tipps bei überwiegendem Home-Office
- Informieren Sie sich, ob es im Wohnsitzstaat des Dienstnehmers, dem Sie gestatten, im Home-Office tätig zu sein, Eingriffsnormen gibt, die den Dienstnehmer gegenüber dem österreichischen Recht arbeitsrechtlich besserstellen.
- Diese besserstellenden ausländischen Eingriffsnormen (wie bspw das deutsche Kündigungsrecht) gelten auch dann, wenn in der Home-Office-Vereinbarung österreichisches Arbeitsrecht vereinbart wurde
- Ansprechstellen für Mitglieder der Wirtschaftskammer hinsichtlich ausländische Eingriffsnormen sind die Außenhandelsstellen der Wirtschaftskammer.
- Hat Ihr Dienstnehmer einen Wohnsitz in Deutschland und arbeitet er überwiegend im deutschen Home-Office, dann sollten Sie sich unbedingt mit dem deutschen Kündigungsrecht befassen, denn dieses ist dienstnehmerfreundlicher (= besserstellend) im Vergleich zum österreichischen Kündigungsrecht.
- Erhält der Dienstnehmer einen Bezug, der deutlich über dem Kollektivvertrag liegt, ist denkbar, allfällige Ansprüche aus ausländischen Eingriffsnormen mit einer entsprechend formulierten All-In-Vereinbarung „abzufangen“.
Ich denke die Kündigung ist rechtlich korrekt. Der Angestellte befindet sich im 5. Dienstjahre, welches aber erst mit März 22 5 Jahre angedauert haben wird. Somit hat er 2 Monate Kündigungsfrist, die bei einer Kündigung am 29. Oktober ja auch eingehalten wird. Ebenso ist der Kündigungstermin mit 31. Dezember korrekt. Es gibt keinerlei Angaben, dass das Unternehmen einen BR hat, somit fallen diverse Verständigungsfristen weg. Vom österreichischen Angestelltengesetz abweichende Regelungen laut KV sind auch nicht erwähnt.
Hallo Frau Berger,
soviel kann ich schon verraten:
Im Unternehmen existiert kein Betriebsrat und daher ist auch kein Kündigungsvorverfahren einzuhalten.
Es ist keine Rede von einem Betriebsrat, was ein Kü-Vorverfahren zur Folge hätte.
Die Kü-Frist von 2 Monaten zum Monatsletzten ist bei eine Dienstzeit unter 5 Jahren korrekt, auch ist die Kü — vor Zeugen — zugegangen, weshalb diese rechtlich korrekt erfolgt ist.
Hallo Frau Podlesnig,
das kann ich bestätigen, ohne mehr zu verraten: Es gibt keinen Betriebsrat, daher ist auch kein Kündigungsvorverfahren erforderlich.
Aus meiner Sicht ist die Kündigung in jedem Fall rechtswidrig, sobald es einen Betriebsrat gibt. Gem. § 105 ArbVG muss der AG vor jeder Kündigung den BR zu verständigen und dieser hat eine Woche Zeit eine Stellungnahme zu verfassen. Der Betriebsinhaber hat auf Verlangen des Betriebsrates mit diesem innerhalb der Frist zur Stellungnahme über die Kündigung zu beraten. Eine vor Ablauf dieser Frist ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam, es sei denn, dass der Betriebsrat eine Stellungnahme bereits abgegeben hat. Dies ist laut Sachverhalt keinesfalls eingehalten worden.
Betrieben, in denen ein Betriebsrat zu errichten ist, aber keiner besteht, kann der betroffene Arbeitnehmer binnen zwei Wochen nach Zugang der Kündigung diese beim Gericht anfechten.
Die Kündigung könnte auch angefochten werden, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Geschäftsführer und Mitarbeiter beweisen noch nicht, dass die betrieblichen Interessen nachteilig berührt werden. Betriebliche Erfordernisse gibt es dadurch auch nicht.
Hallo Frau Behr,
soviel kann ich Ihnen jetzt schon verraten:
1. Im Unternehmen existiert kein Betriebsrat — daher ist auch kein Kündigungsvorverfahren einzuhalten.
2. Es liegt kein Grund einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit vor.
aufgrund der Angaben, würde ich meinen, dass die Kündigung korrekt ist
Fristen und Termine wurden eingehalten, BR wurde nicht erwähnt.
Hallo Frau Pfneiszl,
soviel kann ich Ihnen heute verraten: Im Unternehmen existiert kein Betriebsrat und daher ist auch kein Kündigungsvorverfahren einzuhalten.
Ich denke, die Kündigung ist rechtswidrig, da die Rechtswahl gem. Art 3 Rom-I-VO sich auf die Homeoffice-Tätigkeit bezieht und somit die freie Rechtswahl nicht auf den “gänzlichen” Dienstvertrag bzw konkret auf die Kündigungsbestimmungen ausdrücklich erfolgte. (Die Formulierung glaube ich, ist zu schwach ausgeprägt, in dem vereinbart ist, dass österr. Arbeitsrecht Geltung haben soll. Was gilt dann wirklich, wenn es soweit ist?)
Daher mangels Rechtswahl gem Art 4 Rom-I-VO unterliegt der Dienstvertrag dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister (Arbeitnehmer) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat sprich Deutschland.
In Deutschland gelten andere Kündigungsfristen, ‑termine oder ‑gründe wodurch u.a. bei falschem Beendigungstermin der Arbeitnehmer eine Klage einreichen sollte, ansonsten gilt die Kündigung mit falschem Beendigungszeitpunkt als wirksam.
Hallo Frau Berlakovich,
was ich vorab verraten kann: Es liegt eine rechtsgültige und wirksame Rechtswahl gemäß Art 3 Rom-I-VO vor, wonach österreichisches Arbeitsrecht gilt.
Ich schließe mich der vorherigen Meinung an. Gehe davon aus, dass mit der Formulierung
„Es wird gemäß Art 3 Rom-I-VO vereinbart, dass für die gesamte Tätigkeit, dh auch für den im Home-Office im Ausland erbrachten Tätigkeitsteil, österreichisches Arbeitsrecht Geltung haben soll”
etwas falsch gelaufen ist und daher deutsches Recht zur Anwendung kommt. Zumal der Dienstnehmer sich am Tag des Ausspruchs der Kündigung sich an seinem deutschen Wohnsitz befunden hat.
Hallo Frau Elly,
soviel kann ich Ihnen verraten: Es liegt eine rechtsgültige und wirksame Rechtswahl gemäß Art 3 Rom-I-VO vor, wonach österreichisches Arbeitsrecht gilt.
Der Kündigungssausspruch erfolgte aus Sicht der österr. Arbeitsrecht termingerecht, BR wurde ja keiner erwähnt.
Der Österr. KV Handel Angestellte verlangt keine schriftliche Kündigung, womit auch ein mündlicher Kündigungsausspruch okay gehen würde.
Bei der Arbeitsrechtswahl wurde das Österr. Arbeitsrecht vereinbart,
jedoch sind “zwingende AN-Schutzbestimmungen” im Tätigkeitsstaat (hier DE) zu beachten.
Gemäß Recherche Wikipedia :
https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCndigung_(deutsches_Arbeitsrecht)
steht dort:
“Die Kündigung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der SCHRIFTFORM (§ 623 i. V. m. § 126 BGB). Dies bedeutet, dass die Kündigung vom Kündigenden bzw. einem gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter eigenhändig unterschrieben sein muss. Eine bloße Paraphe reicht nicht aus. Wenn der Kündigende nicht selbst oder durch einen Vertreter unterschreibt, ist die Kündigung formunwirksam. ”
Ich befürchte, dass deswegen die Kündigung trotzdem nicht rechtswirksam ist.
Hallo Frau Melcher,
soviel kann ich verraten:
Im Unternehmen existiert kein Betriebsrat und es trifft zu, dass der Kollektivvertrag Handel keine Formvorschriften für Dienstgeberkündigungen vorsieht. Daher ist auch eine mündliche Kündigung rechtswirksam möglich.
Es bleibt spannend! Wäre es ein rein österreichischer Fall, und dabei waren sich auch die anderen Vor-Poster einig, wäre das Kündigungsprocedere okay.
Da der DN aber 3 Tage die Woche in Deutschland arbeitet, wird man wohl zusätzlich auch die besserstellenden deutschen Rechtsnormen beachten müssen. Der DN war zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches in Deutschland. Hier, so vermute ich, liegt die Schwachstelle und die Mündlichkeit reicht deswegen nicht.
Rechtswidrig
Ich seh hier das Problem, dass in einem Günstigkeitsvergleich das gewählte Österreichische Arbeitsrecht nicht den deutschen Bestimmungen (dort arbeitet der AN laut Angabe überwiegend, wenn auch im HO) standhält. Der Arbeitnehmer wird schlechter gestellt, als es ohne Rechtswahl der Fall gewesen wäre. Nach deutschen Recht besteht bei Kündigungen ein Schriftformgebot § 623 BGB — Schriftform liegt hier jedoch eindeutig nicht vor.
Hallo Frau Timm,
eine interessante Argumentation; zu klären wäre dann, ob das gesamte österreichische Arbeitsrecht verglichen wird mit dem deutschen Arbeitsrecht und immer dann, wenn das deutsche Recht günstiger ist, wird dies in jedem Fall angewandt?
ODER werden nur bestimmte Teile des österreichischen Arbeitsrechts verglichen wird mit den entsprechenden Teilen des deutschen Arbeitsrechts?
Ich denke, dass die Kündigung mit allen angeführten Informationen ok ist. Es wäre allerdings zu prüfen, ob in der Homeoffice-Vereinbarrung eine Kündigung des Dienstverhältnisses automatisch die HO Vereinbarung beendet. Das könnte m.E. noch ein Problem sein.
Hallo Frau Manuela,
soviel kann ich Ihnen verraten: Mit der Kündigung des Dienstverhältnisses wurde auch die Home-Office-Vereinbarung beendet.
Es kommt darauf an, ob im Arbeitsvertrag festgehalten wurde, dass jegliche Änderungen des Dienstvertrages schriftlich erfolgen müssen. Dann würde mir hier die Schriftform fehlen und somit wäre die Kündigung rechtswidrig. Falls dies nicht im Dienstvertrag festgehalten wurde, ist es auch mündlich möglich und mM sind alle Rahmenbedingungen (Fristen, Zeugen, keine Sozialwidrigkeit, kein Betriebsrat, österr. Arbeitsrecht) eingehalten und die Kündigung rechtswirksam.
soviel kann ich verraten: der Dienstvertrag enthält keine Schriftformklausel …
Tja, da kommt aber noch etwas dazu, nämlich Art 11 Abs 3 Rom-I-VO: Danach ist die Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft, “das sich auf einen geschlossenen Vertrag bezieht”, auch dann formgültig, wenn die Kündigung “den Formerfordernissen des Staates erfüllt, in dem dieses Rechtsgeschäft vorgenommen worden ist”.
Art 11 Abs 3 Rom-I-VO wird durch (deutsche) Eingriffsnormen nicht aufgehoben (vgl auch Art 11 Abs 1 dEGBGB). Damit ist die in Österreich mündlich ausgesprochene Kündigung rechtswirksam, weil in Österreich kein Schriftformgebot besteht.
Hinweis an die Leserinnen und Leser dieses BLOGs: Es freut mich sehr, dass dieser Montagsfall sogar von Arbeitsrechts-UNI-Professoren gelesen und kommentiert wird.
Herr Assoz. Prof. PD Mag. Dr. Florian Burger ist als Institutsleiter am Institut für Arbeitsrecht, Sozialrecht und Rechtsinformatik Leopold-Franzens-Universität Innsbruck tätig UND er hat 2020 habilitiert – und nun raten Sie, in welchem Rechtsgebiet? Habilitation für “Österreichisches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht”
Er ist daher einer der wenigen Experten, die in dem europäischen Arbeitsrechtsdschungel den uneingeschränkten Durchblick haben. Daher ist sein Hinweis, für den Personalleiter im Montagsfall sehr hilfreich um gegebenenfalls zu retten, was noch zu retten ist. Vielen Dank dafür
Nähere Infos zur Person und seiner beeindruckend umfassenden Publikationsliste finden Sie hier: https://www.uibk.ac.at/arbeitsrecht/institut/mitarbeiter/burger.html
Hierzu ergänzend erinnere ich an meine Empfehlung bei überwiegender Home-Office-Tätigkeit im Dienstnehmer-Wohnsitzstaat: Informieren Sie sich, ob es im Wohnsitzstaat des Dienstnehmers, dem Sie gestatten, im Home-Office tätig zu sein, Eingriffsnormen gibt, die den Dienstnehmer gegenüber dem österreichischen Recht arbeitsrechtlich besserstellen (insbesondere betrifft dies bspw das deutsche Kündigungsrecht).
Diese besserstellenden ausländischen Eingriffsnormen gelten auch dann, wenn in der Home-Office-Vereinbarung österreichisches Arbeitsrecht vereinbart wurde.
Ich strebe an, das Fachwissen des Dr Burger für einen Praktikerartikel zum Home-Office im Ausland zu nutzen und werde ihn ersuchen, einen entsprechenden Beitrag in der Personalverrechnung für die Praxis (Verlag LexisNexis) zu schreiben. Drücken Sie mir die Daumen, dass dieser Wunsch an das „Innsbrucker Christkind“ in Erfüllung geht ?)
Spannender Arbeitsrecht Fall und ein sehr informativer Artikel mit nützlichen Tipps, vielen Dank!
Vielen Dank, es freut uns sehr, das Ihnen unser Beitrag nützliche Infos und Tipps liefert!