Mit den Montagsfällen (“MoFa”) präsentieren wir Ihnen interessante und knifflige Fälle aus der Praxis für die Praxis.
Zunächst sind Sie gefordert.
⇨ Beantworten Sie die am Ende des Beitrages gestellte Frage für sich oder im Team und schreiben Sie bitte Ihre Antwort in die Kommentare.
Am darauffolgenden Donnerstag-Vormittag wird Sie der Newsletter mit dem Betreffbeginn: „MoFa‑L“ über die Lösung informieren.

Der Montagsfall vom 23. August 2021
Die ITServ GmbH ist eine IT-Firma in Wien, die Klein und Mittelbetriebe berät und unterstützt in Hard‑, Software und Cloudangelegenheiten.
In der Personalabteilung gibt es derzeit ein Thema, das der Personalleiterin, Birgit Kasperski Kopfzerbrechen bereitet: die Home-Office-Wünsche der IT-Spezialisten.
Hier die Wünsche von 2 IT-Experten der ITServ GmbH:
I.
Matej Kovac — 2 x / Woche Home-Office in Bratislava
Matej Kovac hat seinen Familienwohnsitz in Bratislava (Slowakei). Im September 2021 arbeitet er
a) an den Montagen und Freitagen im Home-Office und
b) an den restlichen Arbeitstagen im Büro in Wien.
Er erhält neben seinem Bruttomonatsbezug zusätzlich EUR 2,00 pro Home-Office-Tag, somit EUR 16,00 ( 8 Home-Office-Tage) im September.
II.
Bojana Kovacevic — vorübergehendes Home-Office in Belgrad
Bojana Kovacevic ist gebürtige Serbin. Sie flüchtete kriegsbedingt als Kind mit ihren Eltern nach Österreich. Derzeit lebt sie mit ihrem Ehemann (keine Kinder) in Mödling.
Frau Kovacevic iebt ihre Oma sehr und als sie erfährt, dass ihre Oma lebensbedrohenderkrankt ist, bittet sie die Personalleiterin, Birgit Kasperski zu ihrer Oma nach Belgrad reisen zu dürfen.
Bojana Kovacevic verspricht, während ihres Aufenthaltes im Gästezimmer der Oma-Wohnung in Belgrad weiterhin ihre Kunden aus dem „Oma-Home-Office“ zu betreuen.
Bojana Kovacevic befindet sich den ganzen September in Belgrad. Sie erhält neben ihrem Monatsbruttobezug ein Überstundenpauschale, wobei sie laut Arbeitszeitaufzeichnung auch in Belgrad Überstunden leistet.
Die Personalleiterin, Birgit Kasperski ist am Rande der Verzweiflung bei der Frage, wo und wie die Bezüge von Matej Kovac (Bruttomonatsbezug und Home-Office-Pauschale) und Bojana Kovacevic(Bruttomonatsbezug und Überstundenpauschale) im September 2021 abzurechnen sind?
➪ Frage an Sie:
Die Personalleiterin Birgit Kasperski sucht Rat bei Ihnen und meine Frage an Sie:
Welche Information geben Sie Frau Kasperski für die Septemberabrechnung von
I. Matej Kovac und
II. Bojana Kovacevic
Hinweis:
Es geht ausschließlich um die Besteuerung, nicht um die Lohnnebenkosten oder die Sozialversicherung.
Ich freue mich auf Ihre Lösungsvorschläge in den Kommentaren!.
Begründen Sie bitte Ihre Entscheidung.
Sie wollen die Besteuerungsübersichts-Checkliste für Praktiker*innen?
Diese mailen wir Ihnen gerne zu, wenn Sie uns ein Feedback zu den Montagsfällen (idealerweise — und falls die Angabe zwingend ist — inkl Foto + Namen des Fotografen) an office@patka-knowhow.at mailen.
Ein Feedback, in dem Sie uns bspw mitteilen
- Wie gefällt Ihnen diese Art des „spielerischen“ Wissens-Checks?;
- Sind die Montagsfälle hilfreich für die Lösung beruflicher Herausforderungen?
- Sollte diese Art von Wissens-Check (gleichzeitig mit Wissensvermittlung) auch bei wichtigen Themen in (Neuerungs)Seminaren eingebaut sein?
- Sind Ihrer Meinung nach die Sachverhalt und Lösung klar und verständlich beschreiben? (klardeutsch und nicht Juristendeutsch)
- … oder was Sie uns sonst noch mitteilen möchten.

Wir freuen uns über Ihr Feedback an office@patka-knowhow.at und senden Ihnen gerne als unser Dankeschön für Ihr Feedback die Besteuerungsübersichts-Checkliste für Praktiker*innen!

➪ Die Lösung:
Vorbemerkung 1:
Aufteilung der Besteuerungsrechte
Artikel 15 des OECD Musterabkommens – an das sich die Doppelbesteuerungsabkommen orientieren – regelt, welcher Staat das Besteuerungsrecht bei Einkünften aus unselbstständiger Arbeit hat:
- Arbeitet der Dienstnehmer im Wohnsitzstaat, dann besteuert der Wohnsitzstaat. Der Wohnsitzstaat ist im Regelfall jener Staat, in dem der Dienstnehmer seinen Mittelpunkt der (privaten) Lebensinteressen hat.
- Arbeitet der Dienstnehmer hingegen (auch) in einem anderen Staat (= Tätigkeitsstaat), der nicht der Wohnsitzstaat ist, dann ist die Antwort auf die Frage, welcher Staat das Besteuerungsrecht hat, abhängig davon, ob die 183-Tage-Regel anzuwenden ist.
a) 183-Tage-Regel ist anzuwenden ➪ Besteuerungsrecht bleibt beim Wohnsitzstaat auch für die Arbeitstage im Tätigkeitsstaat
b) 183-Tage-Regel ist nicht anzuwenden (zB weil der Dienstgeber im Tätigkeitsstaat ansässig ist) ➪ Besteuerungsrecht für die Arbeitstage im Tätigkeitsstaat hat der Tätigkeitsstaat.
Vorbemerkung 2:
Kausalitätsprinzip
a) Nach den obigen Regeln (= Vorbemerkung 1) sind nur jene Bezüge zwischen Wohnsitzstaat und Tätigkeitsstaat aufzuteilen, die leistungsmäßig nicht eindeutig einem Staat zuzuordnen sind.
Die Besteuerung dieser Bezüge (zB Bruttomonatsbezug) ist im Verhältnis der Arbeitstage vorzunehmen.
b) Erhält der Dienstnehmer hingegen Bezüge, die leistungsmäßig nur einem Staat zuzuordnen sind (zB Überstunden, die nur in einem Staat geleistet werden), dann ist gemäß dem Kausalitätsprinzip auch die Besteuerung dieser Bezüge nur in diesem Staat vorzunehmen.
Besteuerung Matej Kovac
a)
Wohnsitzstaat: Slowakei ➪ jeder Arbeitstag in der Slowakei (im Home-Office) ➪ Besteuerung in der Slowakei
Wichtig: Sie sollten sich eine von der slowakischen Finanzbehörde bestätigte Ansässigkeitsbescheinigung vorlegen lassen, um sicher zu sein, dass die Slowakei der Wohnsitzstaat ist.
b)
183-Tage-Regel ist für den Tätigkeitsstaat Österreich hinsichtlich der Bürotage nicht anwendbar, da der Dienstgeber ansässig ist im Tätigkeitsstaat.
c)
Aus a) und b) ergibt sich, dass leistungsmäßig nicht eindeutig einem Staat zuzuordnende Bezüge (= Bruttomonatsbezug) im Verhältnis der Arbeitstage zwischen der Slowakei und Österreich aufzuteilen ist ➪ Der September 2021 hat insgesamt 22 Arbeitstage, wovon 8 auf das Home-Office (Slowakei) und 14 auf die Bürotage (Österreich) entfallen.
d)
Das Home-Office-Pauschale (EUR 16,00) ist hingegen aufgrund des Kausalitätsprinzips (dieses Entgelt ist leistungsmäßig nur einem Staat [Slowakei] zuzuordnen) zur Gänze in der Slowakei zu besteuern.
Besteuerung Bojana Kovacevic
a)
Wohnsitzstaat: Österreich (= Mittelpunkt der [privaten] Lebensinteressen
b)
Tätigkeitsstaat im September: Serbien
c)
183-Tage-Regel ist für den Tätigkeitsstaat Serbien anwendbar, weil der Dienstgeber, die ITServ GmbH (1) in Serbien nicht ansässig ist und (2) in Serbien auch keine Betriebsstätte hat und (3) der Aufenthalt von Bojana Kovacevic maximal 2 bis 3 Monate dauert.
d)
Sowohl der Bruttomonatsbezug, als auch das Überstundenpauschale sind daher auch im September 2021 zur Gänze im Wohnsitzstaat Österreich zu versteuern, da Serbien nicht der Mittelpunkt der (privaten) Lebensinteressen und daher nicht der Wohnsitzstaat von Bojana Kovacevic ist ➪ Besteuerung im Wohnsitzstaat (Österreich) aufgrund dessen, dass die 183-Tage-Regel anzuwenden ist.
Achtung:
Der Unterschied zwischen der Besteuerung der Arbeitstage im Home-Office bei Matej Kovac bzw Bojana Kovacevic ist, dass
- Matej Kovac in seinem Wohnsitzstaat die Home-Office-Tätigkeit ausübt, während
- Bojana Kovacevic in einem „fremden“ Staat, der nicht ihr Wohnsitzstaat ist, ihre Tätigkeit im „Oma-Home-Office“ erbringt.
Hallo, also ich denke im Fall des Kollegen aus Bratislava, der ständig aus dem Home Office arbeitet, muss man sich ansehen, wo über das ganze Jahr gesehen die Tätigkeit überwiegend ausgeübt wird, Slowakei oder Österreich.
Bei der Kollegin aus Serbien ist das eine Monate eine Ausnahme und sollte bei der Überwiegenheit keine Rolle spielen, Österreich ist also das Land der Versteuerung.
ich bin wie die Personalleiterin leicht überfragt, ich warte gespannt auf die Antwort
Hallo,
mein Input ist folgender: wenn sich nicht mehr als 183 Tage im Tätigkeitsstaat (zB Slowakei) aufgehalten wird, dann bleibt die Besteuerung in Österreich. Durch COVID gibt es da ja auch noch div. Ausnahmeregelungen (Home Office, Grenzgänger etc).
Die serbische Kollegin ist ein Monat durchgehend im Ausland. Gute Frage? Gilt da ebenfalls die 183-Tage Regel?
Ist das wie bei Montagearbeitern geregelt?
Ich bin auch sehr gespannt auf die Auflösung.
Kovac — da der Wohnsitz in in Bratislava ist würde ich von einer Besteuerung im Wohnsitzstaat ausgehen
Kovajevic — da das Oma Homeoffice nur kurzfristig sein soll, würde ich ebenso sagen, dass die Lohnsteuerpflicht in Österreich bleibt.
Wie genau ist die “Ansässigkeit des Dienstgebers” zu verstehen, wenn es sich um einen Konzernverbund handelt? Annahme: im Fall 1 hat die ITServ GmbH ein Tochterunternehmen in der Slovakei. Macht dies irgendeinen Unterschied oder wird tatsächlich rein auf der arbeitsrechtlichen AG abgestellt?
Hallo Herr Austerer, da Ihre Frage komplex ist, melde ich mich bei Ihnen telefonisch.
Danke für die Aufklärung. Kann ich im Fall Kovac die Abfuhr der Steuer im Wohnsitzland dem Arbeitnehmer überlassen und ihm die betreffenden Tage einfach “brutto” auszahlen? Und Arbeitnehmer muss sich darum kümmer, dass und wie er die Steuer für die entsprechenden Tage in der Slowakei abführt?
Diese Antwort kann von Land zu Land verscheiden sein und zwar abhängig vom jeweiligen Landesrecht => Unternehmen, die Mitglied der WKO sind, können bei den entsprechenden Außenhandelsstellen nachfragen. Bei der Mehrzahl der Länder – nicht bei allen – wird es wahrscheinlich so sein, wie von Ihnen angeführt.
Werden dann nur 14 Lohnsteuertage in Österreich nach der Tagestabelle gerechnet? Oder müssen zusätzlich noch Aufzeichnungen über Aufenthaltstage in Österreich bzw. in der Slowakei geführt werden und dementsprechend die Lohnsteuertage aufgeteilt werden?