Mit den Montagsfällen (“MoFa”) präsentieren wir Ihnen interessante und knifflige Fälle aus der Praxis für die Praxis.
Zunächst sind Sie gefordert.
⇨ Beantworten Sie die am Ende des Beitrages gestellte Frage für sich oder im Team und schreiben Sie bitte Ihre Antwort in die Kommentare.
Am darauffolgenden Donnerstag-Vormittag wird Sie der Newsletter mit dem Betreffbeginn: „MoFa‑L“ über die Lösung informieren.
Der Montagsfall vom 6. September 2021
Dieser Montagsfall ist ein spezieller, denn er soll – so viel sei vorweg verraten – besonders hervorheben, was die ganz besondere Herausforderung bei Austrittsabrechnungen ist.
Der Sachverhalt
a)
Frau Waltraud Gabriel (Jahrgang 1980) war seit 3. 12. 2020 als Einkäuferin bei der Firma Brot & So GmbH beschäftigt, in der es keinen Betriebsrat gibt.
b)
Sie erhält ein monatliches Entgelt iHv € 2.500,00.
c)
Im Dienstvertrag wurde
- nach Ablauf der vereinbarten Probezeit
- noch eine Befristung bis 7. 4. 2021, aber
- keine Kündigungsmöglichkeit vereinbart.
d)
Das Dienstverhältnis wurde von der Firma Brot & So GmbH durch eine fristwidrige Dienstgeber-Kündigung vorzeitig zum 22. 1. 2021 aufgelöst.
e)
Zum Zeitpunkt der vorzeitigen Auflösung sind alle Urlaubsansprüche konsumiert.
f)
Waltraud Gabriel hat
- ihrer Ansicht nach keinerlei Gründe gesetzt, die eine vorzeitige Auflösung rechtfertigen würden und
- da außerdem keine Kündigungsmöglichkeit vereinbart war,
klagte sie ihren Dienstgeber beim Arbeits- und Sozialgericht aufgrund der rechtswidrigen Beendigung ihres befristeten Dienstverhältnisses.
Am 12. 4. 2021 wurde vor Gericht nachfolgender Vergleich zwischen den Anwälten der Klagsparteien geschlossen:
Gerichtlicher Vergleich:
I.
Das zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmerin bestehende Arbeitsverhältnis wird wirksam zum 22. 1. 2021 durch einvernehmliche Auflösung beendet.
II.
Die Arbeitnehmerin bestätigt, dass ihre Bezüge ordnungsgemäß abgerechnet wurden und sie sämtliche bis 22. 1. 2021 zustehenden Entgeltansprüche erhalten hat.
III.
Die Arbeitnehmerin erhält eine Vergleichszahlung im Zusammenhang mit der Kündigungsanfechtungsklage in der Höhe von 3.000,00 € brutto in Form einer freiwilligen Abgangsentschädigung.
Dieser Betrag wird spätestens bis 30. 4. 2021 ausbezahlt.
IV.
Mit der Erfüllung der gegenständlichen Vereinbarung sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bereinigt und verglichen.
Beide Parteien bestätigen ausdrücklich, dass keine weiteren Ansprüche – aus welchem Rechtsgrund auch immer – bestehen.
➪ Frage an Sie:
Die Personalleitung der Brot & So GmbH will von Ihnen wissen, wie diese Zahlung in Höhe von EUR 3.000,00 abzurechnen ist und zwar
- sozialversicherungs- und BV-Beitragsrechtlich
- lohnsteuerlich
- DB, DZ und Kommunalsteuerlich
Ich freue mich auf Ihre Lösungsvorschläge in den Kommentaren!.
Begründen Sie bitte Ihre Entscheidung.
➪ Die Lösung & eine Buchempfehlung:
In der Einleitung zu diesem Montagsfall erwähnten wir, dass dies ein spezieller Montagsfall ist, denn er soll besonders hervorheben, was die ganz besondere Herausforderung bei Austrittsabrechnungen ist.
Gemeint ist, dass ohne Kenntnis des genauen Inhaltes der Klage der verglichene Betrag – in unserem Fall, die € 3.000,00 – nicht korrekt abgerechnet werden kann.
Anhand von 2 möglichen Klagsbegehren von Waltraud Gabriel zeigen wir auf, wie unterschiedlich die „Vergleichszahlung“ von € 3.000,00 abzurechnen ist.
Variante 1:
Klagsbegehren lautet:
Das Gericht möge feststellen, dass das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht ist
Waltraud Gabriel (Jahrgang 1980) fordert keine expliziten Entgeltbestandteile wie zB eine Kündigungsentschädigung etc., sondern es geht ihr in der Klage um den Bestand ihres Dienstverhältnisses.
Mit der Zahlung akzeptiert sie die Beendigung ihres Dienstverhältnisses.
Daher sind die € 3.000,00 wie folgt abzurechnen:
Hinsichtlich Sozialversicherung und BV-Beiträge liegt daher eine sv-freie und bv-freie Abgangsentschädigung vor.
Der Betrag ist lohnsteuerlich als Vergleichssumme abzurechnen. Da Waltraud Gabriel
- dem BMSVG unterliegt, und
- die Vergleichssumme nach DV-Ende anfällt und
- € 7.500,00 nicht übersteigt,
ist die gesamte Vergleichssumme mit dem festen Steuersatz von 6 % zu versteuern.
Da es sich bei diesem Beispiel um eine pauschale Vergleichssumme handelt, ist die gesamte Vergleichssumme lohnnebenkostenpflichtig.
Aufgrund des Alters von Waltraud Gabriel können keine Altersbefreiungen angewendet werden.
Variante 2:
Klagsbegehren lautet:
Waltraud Gabriel fordert eine Kündigungsentschädigung
Waltraud Gabriel fordert eine Kündigungsentschädigung bis zum Ende der Befristung, dh vom 23. 1. 2021 bis 7. 4. 2021.
Achtung:
Die im gerichtlichen Vergleich gewählte Bezeichnung ist eine materielle Falschbezeichnung.
Leider kommt es immer wieder vor, dass in Vergleichsausfertigungen Begriffe verwendet werden (zB freiwillige Abfertigung), die der – abgabenrechtlich maßgeblichen – wahren wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht entsprechen.
Wird dann die Zahlung entsprechend der Vergleichsformulierung abgerechnet, kann es bei Lohnabgabenprüfungen zu „schmerzhaften“, weil teuren Nachzahlungen kommen.
Aufgrund des Klagsbegehren handelt es sich bei der „Vergleichszahlung“ in wahrer wirtschaftlicher Betrachtungsweise um eine Kündigungsentschädigung.
Hinsichtlich Sozialversicherung und BV-Beiträge ist die gesamte „Vergleichssumme“ sozialversicherungs- und BV-Beitragspflichtig als Kündigungsentschädigung abzurechnen.
Der Betrag ist lohnsteuerlich als Vergleichssumme abzurechnen. Da Waltraud Gabriel
- dem BMSVG unterliegt, und
- die Vergleichssumme nach DV-Ende anfällt und
- € 7.500,00 nicht übersteigt,
ist die gesamte Vergleichssumme mit dem festen Steuersatz von 6 % zu versteuern.
Da es sich bei diesem Beispiel um eine pauschale Vergleichssumme handelt, ist die gesamte Vergleichssumme lohnnebenkostenpflichtig.
Aufgrund des Alters von Waltraud Gabriel können keine Altersbefreiungen angewendet werden.
Hinweise:
1.
Eine ausführliche Darstellung der beiden unterschiedlichen, vom jeweiligen Klagsbegehren abhängigen Abrechnungen finden Sie in der Septemberausgabe der Personalverrechnung für die Praxis (Verlag LexisNexis).
Mehr über die Zeitschrift ➪ Personalverrechnung für die Praxis
2.
Entnommen wurde dieser Montagsfall bzw der Artikel in der Personalverrechnung für die Praxis (Verlag LexisNexis) dem demnächst im Linde-Verlag (www.lindeverlag.at) erscheinenden Buch mit dem Titel:
Vergleichssummen in der Personalverrechnung
(ISBN: 978–3‑7073–4455‑4; von Stefan Pfoser).
➪ Link zum Buch (Linde Verlag)
Stefan Pfoser ist Mitarbeiter in der österreichischen Gesundheitskasse. Er ist GPLB-Teamleiter, gerichtlich beeideter und zertifizierter Sachverständiger für Personalverrechnung sowie langjähriger Fachvortragender, Fachbuchautor und Mitglied der Prüfungskommission für Personalverrechnung am WIFI OÖ.
Vergleichssummen abgabenrechtlich korrekt zu beurteilen und danach fehlerfrei abzurechnen, zählt mitunter zu den schwierigsten Aufgaben der Personalverrechnung.
Das Buch vermittelt die notwendigen Grundlagen und es liefert Antworten und Lösungen auf Spezialfragen die für eine zeitsparende und effiziente Abrechnung notwendig sind.
Ein strukturierter Aufbau (inkl Verweisen auf die LStR, E‑MVB und Judikatur), Übersichten und zahlreiche Beispiele machen das Buch zu einem unverzichtbaren Arbeitsbehelf bei der Abrechnung von arbeitsgerichtlichen Vergleichen oder Zahlungen nach Kündigungsanfechtungen.
Im Buch finden Sie Antworten auf Fragen wie:
- Warum sind für die Abrechnung genaueste Kenntnisse über das Klagebegehren bzw die ursprünglichen Forderungen notwendig?
- Wie kann ein abgabenschonender Vergleich rechtswirksame abgeschlossen werden?
- Ist die Vergleichssumme ein Brutto- oder Nettobetrag?
- Wie sind Verzugszinsen oder Prozesskosten zu berücksichtigen?
- Was ist bei Kündigungsanfechtungen zu beachten, damit Zahlungen danach nicht zum Bumerang für Arbeitgeber oder Arbeitnehmer werden?
SV u. MV monatsgetreu gültig für 22.01.2021
LSt, Kommst., DB, DZ bei Auszahlung zum 30.04.2021
Abgangsentschädigung in der SV beitragsfrei, aufgrund des Gerichtsvergleichs mit 6% versteuert (bis zu 7.500,00 6%, danach 1/5 steuerfrei, 4/5 nach Tarif besteuert). Alles DB-/DZ-/KommSt.-pflichtig.
Es handelt sich um eine abgabenpflichtige Vergleichssumme bis 7.500,–, die nach Dienstverhältnisende ausbezahlt wird:
Lohnsteuer: 6 %
Sozialversicherung: Abgangsentschädigungen, die aus Anlass der Beendigung des DV gewährt werden, sind beitragsfrei
DB, DZ, Komm: pflichtig
BV Beitrag 1,53% = 45,9
SV u Lohnsteuer nach Tarif
DB, DZ u. KommSt pflichtig — weil keine freiwillige Abfertigung sondern freiwillige Abgangsentschädigung.
Vergleichszahlungen dürfen aufgeteilt werden (SV)
Freiw. Abgangsentschädigung –> SV- bzw. BV-frei (um eine einvernehmliche zu erzielen)
Vergleichszahlung neben BV –> 6% Versteuerung bis € 7.500,-
DB/DZ/KommSt-pflichtig
Liebe Fans des Montagsfalles,
vielen Dank für Ihre Kommentare! Ich werde die Kommentareinträge nicht kommentieren, um keine „Spuren zu legen“ zur besonderen Lösungsproblematik.
SV & BV: pflichtig, weil rechtswidrige Kündigung und die KÜ-Entschädigung zu zahlen war.
Lst.: Vergleichsbesteuerung“ gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG — da BV-pflichtiges DV vorliegt und die Vergleichszahlung nach Beendigung des DV anfällt, ist sie bis zu einem Betrag von EURO 7.500 mit dem festem Steuersatz von 6% zu versteuern.
DB/DZ/Kommunalsteuer: pflichtig
Die DN hat von Beginn an eine Kündigungsentschädigung begehrt, keine Sozialwidrige Kündigung angeführt.
Im Vergleich wurde daher mE statt der vollen Kündigungsentschädigung ein Reduktion der selben vereinbart.
„Verpflichtet sich ein DG im Rahmen eines Vergleichs zur Zahlung einer freiwilligen Abgangsentschädigung, obwohl im zu Grunde liegenden Verfahren das Vorliegen des Anspruchs auf KÜ-Entschädigung strittig war, ist die vorgenommene Widmung der Vergleichssumme als Abgangsentschädigung eine materielle Falschbezeichnung“. Konsequenz:
Daher mE SV- und BV-Pflicht und SV-Verlängerung im Anschluss an den Tag Ende DVH.
Hinsichtlich der LSt liegt ein Vergleich vor: Besteuerung im Monat der Zahlung nach § 67 Abs. 10 ESTG.
Eigener L 16 im Monat April (Vom 1.4 bis 30.4.2021)
Da die DN in Abfert. neu ist: bis Bt. € 7.500 darf man mit 6 % besteuern.
Da der Vergleichsbetrag darunter liegt, wird von diesem die SV abgezogen, von dieser Zwischensumme 6% LST,
Der Vergleich ist DB DZ und Kommst. pflichtig.
„Als Vergleichssummen in Sachen des § 67 Abs. 8 lit. a EStG sind nicht nur Zahlungen aufgrund gerichtl. oder außergerichtlicher Vergleich, sondern auch Bereinigungen nach Nachzahlungen von Gerichtsurteilen zu verstehen“.
es handelt sich um einen sv-beitragspflichtigen Vergleich da ausstehende Entgeltbestandteile geklagt wurden
es ist ein BV-Beitrag zu entrichten
der Betrag ist gemäß §67 Abs 10 EStG nach Tarif zu versteuern
DB,DZ und KommSt ist abgabepflichtig