Eine EU-Richtlinie verlangt, dass Änderungen bei der Elternkarenz, der Elternteilzeit, der Pflegefreistellung und in einigen anderen Bereichen vorzunehmen sind (Richtlinie [EU] 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige).
Das am 12.10.2023 kundgemachte Bundesgesetzblatt sieht folgende Maßnahmen vor:
- Zwei unübertragbare Monate Karenz pro Elternteil, weshalb Anspruch auf volle Karenzdauer grundsätzlich nur noch bei Karenzteilung oder Alleinerziehern besteht;
- Erweiterung der Pflegefreistellung;
- Erweiterung des Diskriminierungsschutzes im Gleichbehandlungsgesetz;
- Verdoppelung des Familienzeitbonus
Link zum Bundesgesetzblatt: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2023/115/20231012
Dieser Beitrag informiert Sie praxisbezogen und kompakt über die Änderungen die Personalisten kennen sollten (für die Praxis nicht oder wenig bedeutsame Neuerungen bleiben unberücksichtigt).
Wissenswerte Änderungen im Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz
Die Gesetzesänderungen sind für Geburten (Adoptionen, Inpflegenahmen) ab 1. 11. 2023 anzuwenden.
1. Volles Ausmaß der Elternkarenz nur noch bei Alleinerziehern oder wenn Karenz geteilt wird
Anspruch auf die volle Karenzdauer (= bis zum vollendeten 2. Lebensjahr des Kindes) gibt es künftig nur mehr dann, wenn jeder Elternteil mindestens 2 Monate in Karenz geht.
Nimmt hingegen nur einer der beiden Elternteile Karenz, soll der Karenzanspruch enden, wenn der 22. Lebensmonat des Kindes abgelaufen ist (also 2 Monate früher als bisher).
Von dieser gesetzlichen Karenzkürzung ausgenommen sind
- Alleinerziehende, dh wenn kein anderer Elternteil vorhanden ist oder der andere Elternteil nicht im selben Haushalt lebt und
- unselbstständig Erwerbstätige, wenn der andere, im gemeinsamen Haushalt lebende Elternteil, der keinen Karenzanspruch hat (zB arbeitslos oder Selbstständiger), die Kinderbetreuung übernimmt.
Voraussetzung, dass diese Kinderbetreuung unterstellt wird: Der Elternteil mit Karenzanspruch meldet die Karenz zum 2. Meldezeitpunkt gemäß § 15 Abs 3 MSchG
(= frühestens 2 Monate nach dem frühestmöglichen Antrittstermin einer Elternkarenz).
In dieser „2‑Monats-Lücke“ wird unterstellt, dass der Elternteil, der keinen Karenzanspruch hat, die Kinderbetreuung übernommen hat.
Hinweis:
Für den Status „alleinerziehend“ kommt es auf den Zeitpunkt der Karenzmeldung an.
Praxistipp:
Für die betriebliche Praxis bedeutet das hinkünftig: Wünscht die DN Elternkarenz in voller Dauer (also länger als bis zum 22. Lebensmonat des Kindes), muss sie dem DG schriftlich bestätigen, dass sie alleinerziehend ist.
Legt die DN diese schriftliche Bestätigung dem DG nicht vor, ist dieser berechtigt, die Karenz mit dem 22. Lebensmonat zu begrenzen (Pflicht zum Dienstantritt daher schon 22 Monate nach der Geburt des Kindes).
Gestattet der DG in solchen Fällen dennoch eine Karenz auch für den 23. und 24. Lebensmonat, so handelt es sich arbeitsrechtlich gesehen um eine – zB eine Kontroll-Jahressechstelnachzahlung nicht ausschließende – vertraglich vereinbarte Karenzierung.
2. Wissenswerte Änderungen bei der aufgeschobenen Karenz
Bei der – in der Praxis eher selten vorkommenden – „aufgeschobenen Karenz“ (Mutter und Vater können jeweils 3 Monate der Karenz für später aufheben, maximal bis zum 7. Lebensjahr des Kindes) gibt es 2 Änderungen:
- Der DG muss, wenn er den Wunsch auf Karenzaufschiebung ablehnt, diese Ablehnung innerhalb von 2 Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem der DG die Ablehnung dem DN mitgeteilt hat, schriftlich begründen.
- Zudem wird ein neuer Motivkündigungsschutz geschaffen: Eine Kündigung wegen einer beabsichtigten oder tatsächlich geltend gemachten aufgeschobenen Karenz kann als motivwidrige Kündigung beim ASG angefochten werden.
- Bevor der DN die Klage einbringt, kann er innerhalb von 5 Tagen nachdem er die DG-Kündigung erhalten hat, vom DG verlangen, dass dieser schriftlich begründet, warum er gekündigt wurde. Mit dieser Begründungspflicht kann der DN seine Erfolgschancen im Prozess besser einschätzen.
3. Elternteilzeit bis zum vollendeten achten Lebensjahr des Kindes
Der Rahmenzeitraum für die Elternteilzeit wird aufgrund von EU-Vorgaben vom 7. auf das 8. Lebensjahr des Kindes ausgeweitet.
a) “große Elternteilzeit”
Die Höchstdauer der Elternteilzeit beträgt dabei 7 Jahre bei der Anspruchsvariante (= mindestens 3‑jährige Betriebszugehörigkeit + Betrieb mit mehr als 20 Dienstnehmern). Vom Höchstausmaß (= 7 Jahre) sind die Dauer des Beschäftigungsverbotes und die Dauer der von beiden Elternteilen in Anspruch genommenen Elternkarenzen abzuziehen.
b) “kleine Elternteilzeit”
Bei der vereinbarten Elternteilzeit (= weniger als 3 Jahre Betriebszugehörigkeit oder Betrieb mit max 20 Dienstnehmern) ist nur ein Höchstalter des Kindes (8. Geburtstag) vorgesehen, aber kein Höchstausmaß.
c) Verlängerung der großen Elternteilzeit
Dienstnehmer, die den Anspruch auf ETZ von max 7 Jahren bereits voll ausgeschöpft haben, können für das 8. Jahr Elternteilzeit vereinbaren.
Ziel dieser Bestimmung besteht darin, einerseits die Vorgabe der EU-Richtlinie („bis zum Alter von acht Jahren“) in formaler Hinsicht zu erfüllen, andererseits die große ETZ (Anspruchsvariante) de facto (circa) wieder mit dem 7. Lebensjahr zu begrenzen. ➪ Siehe zur Erläuterung das folgende Zahlenbeispiel.
Beispiel:
➪ Sachverhalt
- Geburt 3. 12. 2023, Mutterschutz nach der Geburt: bis 28. 1. 2024 (56 Kalendertage [KT])
- Karenz der Mutter: 29. 1. 2024 bis 3. 10. 2025 (614 KT)
- Karenz des Vaters: 4. 10. 2025 bis 3. 12. 2025 (61 KT)
- Gewünschte ETZ (Mutter und/oder Vater): ab 4. 12. 2025 bis ???
➪ Lösung:
ETZ-Anspruch: 7 Jahre = 2.557 KT (inkl 2 darin liegenden Schaltjahren: 365 KT x 7 Jahre + 2 Schaltjahrtage = 2.557 KT), wobei Mutterschutzzeit nach Geburt und Karenzen beider Elternteile abgezogen werden: 2.557 KT – 56 KT – 614 KT – 61 KT = 1.826 KT
Ausgehend vom 4. 12. 2025 (ETZ-Beginn) ist ETZ bis 3. 12. 2030 möglich (entspricht hier punktgenau dem 7. Geburtstag des Kindes)
4. Änderung bei Motivkündigung wegen Elternteilzeit nach dem vierten Lebensjahr des Kindes
Trotzdem sich der spätmöglichste ETZ-Endtermin ändert (siehe vorangegangenen Punkt 3.) bleibt unverändert, dass der besondere Kündigungsschutz maximal bis zum Ablauf des 4. Lebensjahres des Kindes (plus 4 Wochen Behaltefrist) läuft.
Dauert eine ETZ länger als bis zum 4. Geburtstag (oder beginnt sie erst danach), kann eine Kündigung wegen einer beabsichtigten oder tatsächlich konsumierten ETZ beim ASG angefochten werden.
Diesen Motivkündigungsschutz gab es schon bisher.
Neu ist bezüglich des Motivkündigungsschutzes, dass der DG künftig, wenn dies der DN innerhalb von 5 Tagen nachdem er die DG-Kündigung erhalten hat, verlangt, die Kündigung schriftlich begründen muss.
Durch die schriftliche Begründung soll es den DN ermöglicht werden, die Prozesschancen besser einschätzen zu können.
Konsequenz, wenn der DG die verlangte schriftliche Kündigungsbegründung nicht ausstellt:
a) Die DV-Beendigung bleibt rechtswirksam
b) DG-Weigerung wirft „schlechtes Licht“ auf den DG im Gerichtsprozess.
Wissenswerte Änderungen im
Urlaubsgesetz (betreffend Pflegefreistellung)
Die Gesetzesänderungen sind ab 1. 11. 2023 anzuwenden.
1. Pflegefreistellung wird erweitert: Angehöriger ODER Haushaltsmitglied
Die Voraussetzungen für die Pflegefreistellung wegen der notwendigen Pflege einer erkrankten Person (§ 16 Abs 1 Z 1 UrlG) werden gelockert:
- Bei den im § 16 UrlG angesprochenen „nahen Angehörigen“ (Ehegatte, eingetragener Partner, Lebensgefährte, Großeltern, Eltern, Kind, Adoptivkind, Pflegekind, Stiefkind) ist eine Pflegefreistellung künftig auch dann möglich, wenn kein gemeinsamer Haushalt besteht (zB Pflege der erkrankten Mutter durch die bereits ausgezogene erwachsene Tochter).
- Außerdem wird der Kreis der potenziellen „Pfleglinge“ erweitert: Pflegefreistellung soll es auch zur Pflege von Personen im gemeinsamen Haushalt geben, die keine Angehörigen sind (zB Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft).
2. Neu: Motivkündigungsschutz bei Pflegefreistellung
Neu eingeführt wird ein Motivkündigungsschutz, wenn DN wegen der beabsichtigten oder tatsächlich in Anspruch genommenen Pflegefreistellung vom DG gekündigt werden.
Der DG muss, wenn dies der DN innerhalb von 5 Tagen nachdem er die DG-Kündigung erhalten hat, verlangt, die DG-Kündigung schriftlich begründen
Konsequenz, wenn der DG die verlangte schriftliche Kündigungsbegründung nicht ausstellt:
a) Die DV-Beendigung bleibt rechtswirksam
b) DG-Weigerung wirft „schlechtes Licht“ auf den DG im Gerichtsprozess.
Wissenswerte Änderungen im
AVRAG
Die Gesetzesänderungen sind ab 1. 11. 2023 anzuwenden.
1. Betreuungsteilzeit, 50plus-Teilzeit, Pflegekarenz/-teilzeit wird vom Dienstgeber abgelehnt ➪ Begründungspflicht
Das Gesetz sieht vor, dass der Dienstgeber eine sachliche und schriftliche Begründung abgeben muss, wenn er Dienstnehmer-Anträge auf Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit ablehnt (§ 14c und § 14d AVRAG).
Eine Sanktion ist nicht vorgesehen, wenn der DG die Ablehnung nicht schriftlich begründet.
2. Hospizkarenz/-teilzeit für schwersterkrankte Kinder auch ohne gemeinsamen Haushalt
Bisher war es für den Anspruch auf Familienhospizkarenz bzw Familienhospizteilzeit zur Begleitung eines schwersterkrankten Kindes erforderlich, dass ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind besteht.
Diese Voraussetzung wird ersatzlos gestrichen. Somit ist künftig auch ein vom Kind getrennt lebender Elternteil (zB nach Scheidung) anspruchsberechtigt (§ 14b AVRAG).
Wissenswerte Änderungen im
Gleichbehandlungsgesetz
Die Gesetzesänderungen sind ab 1. 11. 2023 anzuwenden.
Ab dem 1. 11. 2023 ist das GlBG auch auf Diskriminierungen anzuwenden, bei denen zwar der Diskriminierungsgrund Geschlecht nicht vorliegt, eine Diskriminierung jedoch vorliegt wegen
- Elternkarenz, ETZ, Papamonat,
- Pflegefreistellung,
- dringender familiärer Dienstverhinderung infolge Erkrankung oder Unfall (§ 8 Abs 3 AngG, § 1154b Abs 5 ABGB) oder
- Betreuungsteilzeit (§ 14 Abs 1 Z 2 AVRAG).
Damit sind für derartige Fälle
Familienzeitbonus (finanzielle Leistung für den „Papamonat“) wird verdoppelt
Der „Papamonat“ wird vom Krankenversicherungsträger durch den Familienzeitbonus finanziell gefördert. Die Leistung beträgt derzeit € 23,91 täglich (Wert im Kalenderjahr 2023).
Um mehr Väter für den „Papamonat“ zu motivieren, wird der Familienzeitbonus für Geburten bereits ab 1. 8. 2023 auf € 47,82 pro Tag verdoppelt werden.
Ablaufhemmung von Verjährungs- und
Verfallsfristen
Das Gesetz sieht ab 1. 11. 2023 vor, dass dann, wenn (1) „bestimmte Zeiten“ vorliegen, der Ablauf von gesetzlichen, KV- und DV-Verjährungs- und Verfallsfristen für (2) bestimmte Arbeitsrechtsansprüche gehemmt wird.
Zu (1): „Welche Zeiten sind „bestimmte, verjährungs- und verfallfristenhemmende Zeiten“?
Im Gesetzesentwurf sind die folgenden „besonderen Zeiten“ angeführt:
- Karenz (§ 15f Abs 1a MSchG und § 7d VKG);
- Pflegefreistellung (§ 18a UrlG)
- Dienstfreistellungen gemäß § 8 Abs 3 AngG bzw § 1154b Abs 5 ABGB (§ 9a AngG, § 1154b Abs 7 ABGB);
- Freistellung zur Sterbebegleitung gemäß § 14a AVRAG, zur Begleitung von schwersterkrankten Kindern gemäß § 14b AVRAG und bei Inanspruchnahme von Pflegekarenz gemäß § 14c AVRAG (§ 16a AVRAG);
Zu (2): Bei welchen Arbeitsrechtsansprüche werden die Verjährungs- und Verfallsfristen gehemmt?
Die neue Verjährungs- und Verfallfristenablaufhemmung
Quelle::
- dieser Artikel wurde aus dem August-Heft 2023 der Zeitschrift PVP — Personalverrechnung für die Praxis übernommen
- Autoren:
Birgit Kronberger, MBA/Mag. Rainer Kraft (Geschäftsführer des Vorlagenportals und PVP-Redakteure) - mehr zur Zeitschrift PVP — Personalverrechnung für die Praxis:
www.patka-knowhow.at/pvp-zeitschrift