April 25, 2017

0 Kommentare

Scha­den­er­satz­an­sprü­che wer­den mit Ent­gelt­an­sprü­chen auf­ge­rech­net
⇒ Exis­tenz­mi­ni­mum wird dabei unter­schrit­ten ⇒ zulässig?

Wir stel­len Ihnen 2 Fäl­le aus der Pra­xis vor, bei denen
  1. der Dienst­ge­ber sei­ne For­de­run­gen mit Ent­gelt­for­de­run­gen des Dienst­neh­mer auf­rech­net und
  2. dabei das Exis­tenz­mi­ni­mum unterschreitet

Darf dies der Dienst­ge­ber? Urtei­len Sie, ob die Gegen­ver­rech­nun­gen kor­rekt durch­ge­führt wurden.

FALL 1 : 
Peter Zop­fel 

Peter Zop­fel war bei der IT Ser­vice GmbH (= sein Dienst­ge­ber) ange­stellt und für die IT-Betreu­ung der Han­dels­wa­ren GmbH zustän­dig, die mit sei­nem Dienst­ge­ber einen IT-War­tungs- und Ser­vice­ver­trag abge­schlos­sen hat.

Sein Dienst­ver­trag ent­hielt eine Kon­kur­renz­klau­sel. Trotz­dem wech­selt
Peter Zop­fel zu einem Kon­kur­ren­ten sei­nes Dienst­ge­bers. Die Han­dels­wa­ren GmbH löst den IT-War­tungs- und Ser­vice­ver­trag mit der IT Ser­vice GmbH, dem Alt-Dienst­ge­ber von Peter Zop­fel und wech­selt zum neu­en Dienst­ge­ber, um wei­ter­hin von Peter Zop­fel betreut zu werden. 

Bei der End­ab­rech­nung zieht der Alt-Dienst­ge­ber (=IT Ser­vice GmbH) den errech­ne­ten Scha­den aus dem Ver­lust des Auf­tra­ges mit der Han­dels­wa­ren GmbH (zB weg­ge­fal­le­ner Deckungs­bei­trag) von den Been­di­gungs­an­sprü­chen (Urlaubs­er­satz­leis­tung etc) ab und berück­sich­tigt dabei nicht das Exis­tenz­mi­ni­mum; mit ande­ren Wor­ten: Nach der Gegen­ver­rech­nung des Scha­dens mit den Been­di­gungs­an­sprü­chen ver­blei­ben Peter Zop­fel im Aus­tritts­mo­nat net­to weniger als das Exis­tenz­mi­ni­mum.

Bit­te urtei­len Sie, ob die­se Vor­ge­hens­wei­se kor­rekt ist.

FALL 2: 
Maria Furt­ge­her

Maria Furt­ge­her tritt unbe­rech­tigt vor­zei­tig aus. Im Dienst­ver­trag ist für die­sen Fall eine Kon­ven­tio­nal­stra­fe in Höhe eines Monats­brut­to­lohns ver­ein­bart. Der Dienst­ge­ber zieht die Kon­ven­tio­nal­stra­fe bei der End­ab­rech­nung ab und berück­sich­tigt dabei nicht das Exis­tenz­mi­ni­mum; mit ande­ren Wor­ten: Nach der Gegen­ver­rech­nung der Kon­ven­tio­nal­stra­fe mit den Been­di­gungs­an­sprü­chen ver­blei­ben Maria Furt­ge­her im Aus­tritts­mo­nat weni­ger als das Exis­tenz­mi­ni­mum.

Bit­te urtei­len Sie, ob die­se Vor­ge­hens­wei­se kor­rekt ist.

Lösun­gen

Vor­be­mer­kun­gen:

Ein Gehalts­ab­zug unter das Exis­tenz­mi­ni­mum ist laut § 293 Abs 3 EO grund­sätz­lich nur in fol­gen­den 3 Fäl­len zuläs­sig:

  • Rück­ver­rech­nung eines Vor­schus­ses bzw Dienst­ge­ber­dar­le­hens (Mög­lich­keit 1)
  • Auf­rech­nung mit einer recht­lich mit dem Arbeits­ent­gelt zusam­men­hän­gen­den
    (= kon­ne­xen) Gegen­for­de­rung (Mög­lich­keit 2)
  • Auf­rech­nung mit einer Scha­den­er­satz­for­de­rung, wenn der Scha­den vor­sätz­lich (dh wis­sent­lich und/oder wil­lent­lich) zuge­fügt wur­de (Mög­lich­keit 3).

Hin­wei­se zu Mög­lich­keit 2:

Der „recht­li­che Zusam­men­hang“ (Kon­ne­xi­tät) zwi­schen einer Gegen­for­de­rung des Dienst­ge­bers und dem Arbeits­ent­gelt wird von der Recht­spre­chung extrem eng gesehen.

All jene For­de­run­gen des Dienst­ge­bers, bei denen die Kon­ne­xi­tät ver­neint wird, dür­fen das Exis­tenz­mi­ni­mum nicht schmä­lern.

Nach­fol­gend eini­ge Bei­spie­le:

Bei­spie­le für
kon­ne­xe Forderungen

  • Arbeits­recht­lich zuläs­si­ge Rück­ver­rech­nung von Son­der­zah­lun­gen bzw „Son­der­zah­lungs­über­hän­gen“ bei unter­jäh­ri­gem Aus­tritt oder ande­ren Fäl­len nach­träg­li­cher
    Anspruchs­kür­zung (zB ent­gelt­frei­er
    Kran­ken­stand),
  • Rück­ver­rech­nung von Urlaubs­ent­gelt gemäß § 10 UrlG bei unbe­rech­tig­tem vor­zei­ti­gen Aus­tritt oder vom Dienst­neh­mer
    ver­schul­de­te Entlassung.

Bei­spie­le für
nicht kon­ne­xe Forderungen

  • Scha­den­er­satz aus bloß fahr­läs­si­ger Schä­di­gung,
  • Aus­bil­dungs­kos­ten­rück­ersät­ze,
  • Dienst­neh­mer-Kos­ten­bei­trag für die Pri­vat­nut­zung des Fir­men-Kfz,
  • Dienst­neh­mer- Kos­ten­bei­trag für
    Mahl­zei­ten
    im Betrieb,
  • Lohn­steu­er­re­gress,
  • dienst­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Kon­ven­tio­nal­stra­fe,
  • Kauf­preis– bzw Hono­rar­for­de­run­gen des Dienst­ge­bers für vom Dienst­neh­mer gekauf­te bzw in Anspruch genom­me­ne Pro­duk­te
    oder Dienst­leis­tun­gen des Dienstgebers,
  • bei Gemein­de­be­diens­te­ten:
    Stra­fen wegen Kurz­park­ver­ge­hen oder Gebüh­ren für den Gemein­de­kin­der­gar­ten.

STRIT­TIG: Rück­for­de­rung von irr­tüm­li­chen (zu hohen) Bezügen???

Lösung FALL 1: 
Peter Zop­fel

Mög­lich­keit 1 (Vor­schuss) und Mög­lich­keit 2 (recht­li­cher Zusam­men­hang
zwi­schen den bei­den Ansprü­chen) lie­gen in die­sem Fall nicht vor.

Die Gegen­ver­rech­nung des Scha­den­er­sat­zes mit Ent­gelt­an­sprü­chen unter das Exis­tenz­mi­ni­mum ist den­noch gemäß OGH 27. 1. 2017, 8 ObA 74/16i (ARD 6542/10/2017) zuläs­sig!

Begrün­dung:

Der Dienst­ge­ber kann Mög­lich­keit 3 (vor­sätz­li­che Schä­di­gung des Dienst­ge­bers durch den Dienst­neh­mer) anwenden.

Peter Zop­fel hat durch den Dienst­ge­ber­wech­sel ‒ der unzwei­fel­haft gegen die ver­ein­bar­te Kon­kur­renz­klau­sel ver­stieß ‒ in Kauf genom­men, dass sei­nem Alt-Dienst­ge­ber (= IT Ser­vice GmbH) durch den Job­wech­sel der ent­spre­chen­de Deckungs­bei­trag aus der IT-Betreu­ung der Han­dels­wa­ren GmbH ent­ge­hen wird.

Es ist nach Ansicht des OGH davon aus­zu­ge­hen, dass dies Peter Zop­fel bewusst sein muss­te und er bil­li­gend in Kauf nahm, dass dadurch sei­nem Alt-Dienst­ge­ber (= IT Ser­vice GmbH) ein Scha­den ent­stand, und ihm daher (zumin­dest beding­ter) Vor­satz bezüg­lich Scha­dens­ein­tritt vor­zu­wer­fen ist.

Die IT Ser­vice GmbH kann daher – auf­grund des beding­ten Schä­di­gungs­vor­sat­zes von Peter Zop­fel – unein­ge­schränkt ihre Scha­den­er­satz­for­de­rung gegen die End­ab­rech­nungs­an­sprü­che des Peter Zop­fel aufrechnen.

Lösung FALL 2: 
Maria Furt­ge­her

Tritt ein Dienst­neh­mer ohne wich­ti­gen Grund vor­zei­tig aus dem Dienst­ver­hält­nis aus, kann der Dienst­ge­ber gemäß § 1162a ABGB Scha­den­er­satz wegen Nicht­er­fül­lung des Ver­tra­ges verlangen.

Die­se Pflicht des Dienst­neh­mers kann durch eine Kon­ven­tio­nal­stra­fe gesi­chert wer­den. Die Kon­ven­tio­nal­stra­fe ist ein ‒ wenn auch pau­scha­lier­ter ‒ Schadenersatzanspruch.

Ist die Gegen­ver­rech­nung des Scha­den­er­sat­zes (= Kon­ven­tio­nal­stra­fe) mit End­ab­rech­nungs­an­sprü­chen von Maria Furt­ge­her unter das Exis­tenz­mi­ni­mum zuläs­sig?

Mög­lich­keit 1 (Vor­schuss) und Mög­lich­keit 3 (vor­sätz­li­che Schä­di­gung des Dienst­ge­bers durch den Dienst­neh­mer) lie­gen in die­sem Fall nicht vor. Im Gerichts­ver­fah­ren wur­de ein vor­sätz­lich bewirk­te Ein­tritt eines Scha­dens weder behaup­tet wur­de, noch sind ent­spre­chen­de Indi­zi­en hier­für hervorgekommen.

Zu prü­fen ist daher, ob der Dienst­ge­ber auf­grund der Mög­lich­keit 2 (=recht­li­cher Zusam­men­hang zwi­schen den bei­den Ansprü­chen) eine Gegen­ver­rech­nung unter das Exis­tenz­mi­ni­mum vor­neh­men kann.

NEIN, kann der Dienst­ge­ber nach Ansicht des OGH 29. 10. 2009, 9 ObA 50/09g (ARD 6073/1/2010) nicht.

Begrün­dung:

Nach Ansicht des OGH sind nur sol­che Gegen­for­de­run­gen des Dienst­ge­bers unter das Exis­tenz­mi­ni­mum auf­re­chen­bar, die eine unmit­tel­ba­re und enge Ver­knüp­fung mit dem Ent­gelt­an­spruch haben.

Die­se Ver­knüp­fung liegt gemäß OGH zwi­schen Scha­den­er­satz­an­spruch und Ent­gelt­an­spruch nicht vor.

Zusam­men­fas­send ergibt sich daher, dass der Dienst­ge­ber von Maria Furt­ge­her – man­gels recht­li­chen Zusam­men­hangs zwi­schen Ent­gelt­for­de­rung und Scha­den­er­satz – nicht berech­tigt war, die Kon­ven­tio­nal­stra­fe (= sein pau­scha­lier­ter Scha­den­er­satz auf­grund des unbe­rech­tig­ten vor­zei­ti­gen Aus­trit­tes aus dem Dienst­ver­hält­nis) gegen die Been­di­gungs­an­sprü­che von Maria Furt­ge­her so auf­zu­rech­nen, dass hie­bei dass Exis­tenz­mi­ni­mum unter­schrit­ten wird.

Kommentar verfassen:

Your email address will not be published. Required fields are marked

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Werden Sie Mitglied im Patka-Knowhow-Club!

Unser Newsletter informiert Sie über Neuigkeiten in Personalrecht und Personalverrechnung.

  • kostenlos
  • informativ
  • nützlich
  • immer up to date
- Ihr Bundesland -
  • - Ihr Bundesland -
  • Burgenland
  • Kärnten
  • Niederösterreich
  • Oberösterreich
  • Salzburg
  • Steiermark
  • Tirol
  • Vorarlberg
  • Wien

*Außer Ihrer Email-Adresse fragen wir Sie nach Ihrem Bundesland, um regionale Angebote und Informationen gezielt zu versenden und dadurch eine Informationsflut zu vermeiden. Abmeldung ist jederzeit möglich. Für die Speicherung und Verarbeitung dieser Daten und den Versand unserer Informationen verwenden wir „Klick-Tipp“. Informationen zum Datenschutz finden Sie in unserer Datenschutzerklärung