Juni 28, 2018

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Abge­lei­tet aus einem aktu­el­len OGH-Urteil (27. 2. 2018, 9 ObA 137/17p; ARD 6598/7/2018) haben wir für Sie eine Prak­ti­ker-Check­lis­te erstellt.

Die­se Prak­ti­ker-Check­lis­te zeigt auf, wor­auf Sie ach­ten soll­ten, damit die Kün­di­gung auf­grund häu­fi­ger Kran­ken­stän­de (im obi­gen Streit­fall: 112 bzw 122 Kran­ken­stands­ta­ge im Kalen­der­jahr wegen Asth­ma und Arm­schmer­zen) auch vor Gericht „hält“.

Prak­ti­ker-Check­lis­te: „Kei­ne Sozi­al­wid­rig­keit bei Kün­di­gung auf­grund häu­fi­ger Kran­ken­stän­de ⇒ Auf die­se 7 Punk­te soll­ten Sie achten“.

1

Ist der Betrieb betriebsratspflichtig?

Sofern der Betrieb nicht betriebs­rats­pflich­tig ist, dh weni­ger als 5 Dienst­neh­mer hat, kann der Dienst­neh­mer die Kün­di­gung nicht nach den Bestim­mun­gen des Arbeits­ver­fas­sungs­ge­set­zes anfech­ten.

2

Ist der Dienst­neh­mer län­ger als 6 Mona­te im Unternehmen?

Wenn nein, dann kann der Dienst­neh­mer die Kün­di­gung nicht wegen Sozi­al­wid­rig­keit anfechten.

3

Ist der Dienst­neh­mer ein lei­ten­der Ange­stell­ter im Sin­ne des Arbeitsverfassungsgesetzes?

Wenn ja, dann kann der Dienst­neh­mer die Kün­di­gung nicht wegen Sozi­al­wid­rig­keit anfechten.

4

Hat der Betriebs­rat der Kün­di­gung aus­drück­lich zugestimmt?

Wenn ja, dann ist kei­ne Kün­di­gungs­an­fech­tung wegen Sozi­al­wid­rig­keit möglich

5

Hat die Kün­di­gung für den Dienst­neh­mer erheb­li­che sozia­le und wirt­schaft­li­che Nachteile?

Beein­träch­tigt die Kün­di­gung wesent­li­che Inter­es­sen des Dienst­neh­mers? Wenn kei­ne wesent­li­che Inter­es­sens­be­ein­träch­ti­gung ð Kün­di­gung ist sozi­al gerechtfertigt.

Die Ant­wort, ob die Kün­di­gung wesent­li­che Inter­es­sen des Dienst­neh­mers beein­träch­tigt, ergibt sich ein­zel­fall­be­zo­gen aus der Gesamt­sicht der fol­gen­den Umstän­de:

  • Alter des Dienst­neh­mers
  • Dau­er der Betriebszugehörigkeit
  • Ver­lust all­fäl­li­ger dienst­zeit­ab­hän­gi­ger Ansprü­che durch die Kündigung
  • Ver­lust all­fäl­li­ger mit dem Dienst­ver­hält­nis ver­bun­de­ner Vor­tei­le durch die Kündigung
  • Wie lan­ge wird es vor­aus­sicht­lich dau­ern, bis der Dienst­neh­mer einen neu­en, eini­ger­ma­ßen gleich­wer­ti­gen Arbeits­platz fin­den wird?
  • Neu­er Arbeits­platz: Mit wel­chen vor­aus­sicht­li­chen Ein­kom­mens­ein­bu­ßen muss der Dienst­neh­mer rechnen?
  • Beur­tei­lung der gesam­ten wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se des Dienst­neh­mers und sei­ner Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen (zB sons­ti­ge Ein­künf­te? Ertrag­brin­gen­des Ver­mö­gen vor­han­den [Ver­mie­tung]? Schul­den?, Unterhaltspflichten?)

6

Erstel­len Sie eine Zukunfts­pro­gno­se über
die wei­te­re Arbeits­fä­hig­keit des Dienstnehmers

  • Ent­schei­dend ist, dass ein ver­stän­di­ger und sorg­fäl­ti­ger Dienst­ge­ber bei objek­ti­ver Betrach­tung berech­tigt davon aus­ge­hen konn­te, dass Kran­ken­stän­de in erhöh­tem Ausmaß mit hoher Wahr­schein­lich­keit auch in Zukunft zu erwar­ten.
  • Eine ungüns­ti­ge Pro­gno­se kann etwa aus der anhal­tend stei­gen­den Zahl der Krank­heits­ta­ge bei regel­mä­ßi­gen Kran­ken­stän­den
    abge­lei­tet werden
  • ACH­TUNG: Aller­dings ist auch zu berück­sich­ti­gen, dass in der
    Ver­gan­gen­heit auf­ge­tre­te­ne Kran­ken­stän­de hin­sicht­lich der künf­ti­gen Ein­satz­fä­hig­keit des Dienst­neh­mers dann nicht aus­sa­ge­kräf­tig sind, wenn die zugrun­de lie­gen­de Krank­heit über­wun­den ist (zB  aus­the­ra­piert, aus­ge­heilt, Krank­heits­grund ope­ra­tiv besei­tigt etc).
  • Inso­weit ist auch die Art der Erkran­kung des Dienst­neh­mers und deren Ursa­che für die Zukunfts­pro­gno­se von Bedeutung.

7

Sind Sie, als Dienst­ge­ber, der sozia­len Gestal­tungs­pflicht nachgekommen?

  • Kann der Dienst­neh­mer auf einem ande­ren ‒ frei­en ‒ Arbeits­platz wei­ter­be­schäf­tigt wer­den, so ist ihm die­ser Arbeits­platz vor Aus­spruch der Kün­di­gung anzu­bie­ten. Unter­lässt der Dienst­ge­ber die­ses Anbot, so ist die Kün­di­gung sozi­al ungerechtfertigt.
  • Älte­re und im Betrieb schon lang beschäf­tig­te Per­so­nen haben Anspruch auf Scho­nung. Der Dienst­ge­ber wird daher ver­su­chen müs­sen, die­se Dienst­neh­mer auf einem ihren gemin­der­ten Kräf­ten
    ent­spre­chen­den Arbeits­platz zu ver­wen­den. Das bedeu­tet, dass auch in sol­chen Fäl­len eine Wei­ter­ver­wen­dungs­mög­lich­keit des betrof­fe­nen Arbeit­neh­mers auf den gesam­ten Betrieb hin über­prüft wer­den muss.
  • ABER: Die sozia­le Gestal­tungs­pflicht ver­pflich­tet den Dienst­ge­ber
    nur inso­weit, dem Dienst­neh­mer freie Arbeits­plät­ze anzu­bie­ten, als die­se der bis­he­ri­gen Berufs­pra­xis des Dienst­neh­mers ent­spre­chen.
    Dabei muss dem Dienst­neh­mer eine – ihm zumut­ba­re – Gele­gen­heit
    zur Umschu­lung und Ein­ar­bei­tung gege­ben werden.
  • Ledig­lich dann, wenn es sich um eine unge­wöhn­li­che Mög­lich­keit
    der Wei­ter­ver­wen­dung im Betrieb han­delt, muss der Dienst­neh­mer
    selbst initia­tiv wer­den und sich um die­se Stel­len bewer­ben. Ver­lust all­fäl­li­ger mit dem Dienst­ver­hält­nis ver­bun­de­ner Vor­tei­le durch die Kündigung
  • 5 Tipps aus der Pra­xis für die Praxis:
  • 1
    Doku­men­tie­ren Sie alle dies­be­züg­li­chen Gestal­tungs­über­le­gun­gen- und maß­nah­men, denn der Dienst­ge­ber hat vor Gericht eine Nach­weis­pflicht, sozia­le Gestal­tungs­maß­nah­men über­legt und vor­ge­schla­gen zu haben. 
  • 2
    Doku­men­tie­ren Sie, dass es im gesam­ten Unter­neh­men für den zu kün­di­gen­den Dienst­neh­mer kei­nen Bedarf mehr gibt und dem Dienst­ge­ber kei­ne Maß­nah­me zumut­bar ist, die eine Wei­ter­be­schäf­ti­gung ermög­licht.
  • 3
    Ob die Mög­lich­keit besteht, denn Dienst­neh­mer auf kei­nem ande­ren Arbeits­platz ein­set­zen zu kön­nen, dar­über ist der Dienst­ge­ber Behaup­tungs- und Beweis­last.
  • 4
    ABER: Es besteht eine „Dienst­neh­mer-Mit­wir­kungs­pflicht!“ Gera­de auf­grund krank­heits­be­ding­ter Aus­fäl­le, die auf eine all­ge­mei­ne Min­de­rung des Gesund­heits­zu­stands zurück­zu­füh­ren sind, ist der Dienst­ge­ber auch auf eine gewis­se Mit­wir­kung des Dienst­neh­mers ange­wie­sen, da nur die­ser die eige­ne Leis­tungs­fä­hig­keit beur­tei­len kann.

    Bei einer per­so­nen­be­zo­ge­nen Kün­di­gung auf­grund erhöh­ter Kran­ken­stän­de hat der Dienst­ge­ber die Leis­tungs­fä­hig­keit des Dienst­neh­mers nach Maß­ga­be der Anga­ben und Mit­wir­kung des Dienst­neh­mers zu beur­tei­len.
  • 5
    Bei der Inter­es­sens­ab­wä­gung des Gerich­tes, ob eine Dienst­ge­ber­kün­di­gung auf­grund häu­fi­ger Kran­ken­stän­de sozi­al­wid­rig ist oder nicht, prüft das Gericht auch, …
  • inwie­weit die zahl­rei­chen Kran­ken­stän­de mas­siv das
    Betriebsklima belas­ten und dadurch erheb­li­cher Unmut unter den
    Kol­le­gen des Dienst­neh­mers entsteht;
  • ob die Kran­ken­stän­de durch einen Betriebsun­fall ver­ur­sacht oder
    betrieb­lich mit­ver­an­lasst sind (doch auch hier kön­nen lan­ge
    Kran­ken­stän­de ein per­so­nen­be­zo­ge­ner Kün­di­gungs­grund sein).
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