Juni 12, 2018

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Abge­lei­tet aus einem aktu­el­len OGH-Urteil haben wir für Sie eine Prak­ti­ker-Check­lis­te erstellt.

Eine Sekre­tä­rin in einem 10 Per­so­nen Betrieb wur­de aus wirt­schaft­li­chen Grün­den (Kos­ten­ein­spa­rung) gekün­digt. Die Kün­di­gung hat­te für die Dienst­neh­me­rin erheb­li­che sozia­le und wirt­schaft­li­che Nach­tei­le. Den­noch ent­schied der OGH (27. 2. 2018, 9 ObA 12/18g), dass kei­ne sozi­al­wid­ri­ge Kün­di­gung vorliegt.

Sehr prä­gnant for­mu­lier­te der OGH in die­ser Ent­schei­dung, wel­che Sach­ver­halts­vor­aus­set­zun­gen gege­ben sein müssen.

Wir haben für Sie dar­aus zusam­men­ge­stellt die fol­gen­de Prak­ti­ker-Check­lis­te

Prak­ti­ker-Check­lis­te: „Kei­ne Sozi­al­wid­rig­keit bei Kün­di­gung aus wirt­schaft­li­chen Grün­den ⇒ Auf die­se 7 Punk­te soll­ten Sie achten“.

1

Ist der Betrieb betriebsratspflichtig?

Sofern der Betrieb nicht betriebs­rats­pflich­tig ist, dh weni­ger als 5 Dienst­neh­mer hat, kann der Dienst­neh­mer die Kün­di­gung nicht nach den Bestim­mun­gen des Arbeits­ver­fas­sungs­ge­set­zes anfech­ten.

2

Ist der Dienst­neh­mer län­ger als 6 Mona­te im Unternehmen?

Wenn nein, dann kann der Dienst­neh­mer die Kün­di­gung nicht wegen Sozi­al­wid­rig­keit anfechten.

3

Ist der Dienst­neh­mer ein lei­ten­der Ange­stell­ter im Sin­ne des Arbeitsverfassungsgesetzes?

Wenn ja, dann kann der Dienst­neh­mer die Kün­di­gung nicht wegen Sozi­al­wid­rig­keit anfechten.

4

Hat der Betriebs­rat der Kün­di­gung aus­drück­lich zugestimmt?

Wenn ja, dann ist kei­ne Kün­di­gungs­an­fech­tung wegen Sozi­al­wid­rig­keit möglich

5

Hat die Kün­di­gung für den Dienst­neh­mer erheb­li­che sozia­le und wirt­schaft­li­che Nachteile?

Beein­träch­tigt die Kün­di­gung wesent­li­che Inter­es­sen des Dienst­neh­mers? Wenn kei­ne wesent­li­che Inter­es­sens­be­ein­träch­ti­gung ð Kün­di­gung ist sozi­al gerechtfertigt.

Die Ant­wort, ob die Kün­di­gung wesent­li­che Inter­es­sen des Dienst­neh­mers beein­träch­tigt, ergibt sich ein­zel­fall­be­zo­gen aus der Gesamt­sicht der fol­gen­den Umstän­de:

  • Alter des Dienst­neh­mers
  • Dau­er der Betriebszugehörigkeit
  • Ver­lust all­fäl­li­ger dienst­zeit­ab­hän­gi­ger Ansprü­che durch die Kündigung
  • Ver­lust all­fäl­li­ger mit dem Dienst­ver­hält­nis ver­bun­de­ner Vor­tei­le durch die Kündigung
  • Wie lan­ge wird es vor­aus­sicht­lich dau­ern, bis der Dienst­neh­mer einen neu­en, eini­ger­ma­ßen gleich­wer­ti­gen Arbeits­platz fin­den wird?
  • Neu­er Arbeits­platz: Mit wel­chen vor­aus­sicht­li­chen Ein­kom­mens­ein­bu­ßen muss der Dienst­neh­mer rechnen?
  • Beur­tei­lung der gesam­ten wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se des Dienst­neh­mers und sei­ner Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen (zB sons­ti­ge Ein­künf­te? Ertrag­brin­gen­des Ver­mö­gen vor­han­den [Ver­mie­tung]? Schul­den?, Unterhaltspflichten?)

6

Führt die Kün­di­gung zum sach­lich ange­streb­ten Ziel (zB Kostensenkung)?

Das Gericht prüft, ob die Kün­di­gung (a) sach­lich begrün­det und (b) ein geeig­ne­tes Mit­tel ist, um den ange­streb­ten Zweck (zB Kos­ten­sen­kung) zu erreichen.

7

Hat der Dienst­ge­ber alle Mög­lich­kei­ten zur Wei­ter­be­schäf­ti­gung aus­ge­schöpft (sozia­le Gestaltungspflicht)?

Ori­gi­nal­wort­laut des OGH: „Bei sozi­al benach­tei­li­gen­den Kün­di­gun­gen müs­sen dem­nach vom Arbeit­ge­ber alle Mög­lich­kei­ten zur Wei­ter­be­schäf­ti­gung aus­ge­schöpft wer­den, um trotz Ratio­na­li­sie­rungs­maß­nah­men die bis­he­ri­gen Arbeit­neh­mer wei­ter zu beschäftigen.“

Bei­spiel

(ent­nom­men dem Urteil des OLG Wien 23. 8. 2017, 9 Ra 13/17y; ARD 6576/5/2017)

Soll eine 54-jäh­ri­ge Dienst­neh­me­rin, die in ihrem Berufs­le­ben durch­gän­gig in der Ver­si­che­rungs­bran­che und zuletzt als Team­lei­te­rin im Bereich Betrieb­li­che Vor­sor­ge tätig war, auf­grund von Umstruk­tu­rie­rungs­maß­nah­men gekün­digt wer­den, so trifft den Dienst­ge­ber eine sozia­le Gestal­tungs­pflicht.

Er muss über­prü­fen, ob er der Dienst­neh­me­rin eine ihrer bis­he­ri­gen Berufs­pra­xis ent­spre­chen­de Tätig­keit anbie­ten kann, ehe er die Kün­di­gung ausspricht.

Ist die Dienst­neh­me­rin auf­grund ihrer Aus­bil­dung und Berufs­er­fah­rung für die ‒ nicht fach­frem­de ‒ Tätig­keit als Lei­te­rin der Gewer­be- und Rück­ver­si­che­rung qua­li­fi­ziert und ist zum Zeit­punkt des Kün­di­gungs­aus­spruchs bereits abseh­bar, dass die­se Stel­le in Kür­ze nach­be­setzt wer­den soll, so ver­stößt der Dienst­ge­ber gegen die sozia­le Gestal­tungs­pflicht, wenn er sich mit die­ser „Ver­wen­dungs­mög­lich­keit“ für die Dienst­neh­me­rin nicht auseinandersetzt.

Auf­grund ihrer Aus­bil­dung und der jah­re­lan­gen Tätig­keit in der Indus­trie- und Gewer­be­ver­si­che­rung ist die Dienst­neh­me­rin für eine Tätig­keit als Lei­te­rin der Gewer­be­ver­si­che­rung qualifiziert.

Dass die ein­schlä­gi­ge Tätig­keit der Dienst­neh­me­rin auf dem Fach­ge­biet der Gewer­be- und Rück­ver­si­che­rung bereits eini­ge Jah­re zurück­liegt, ändert nichts an der grund­sätz­li­chen Mög­lich­keit, die Dienst­neh­mer in die­sem Arbeits­be­reich einzusetzen.

Dass hier­für eine Auf­fri­schung durch Ein­ar­bei­tung und Nach­schu­lung anfällt, ist hin­sicht­lich des Qua­li­fi­ka­ti­ons­pro­fils der Dienst­neh­me­rin jeden­falls ein zumut­ba­rer Auf­wand für den Dienstgeber.

Damit ist klar­ge­stellt, dass es Sache des Dienst­ge­bers gewe­sen wäre, sich mit einer Ver­wen­dung der Dienst­neh­me­rin als Lei­te­rin der Gewer­be- und Rück­ver­si­che­rung auseinanderzusetzen.

Allen­falls hät­te der Dienst­ge­ber im Ver­fah­ren kon­kret vor­brin­gen müs­sen, war­um die Dienst­neh­me­rin auf dem genann­ten Arbeits­platz nicht ein­setz­bar sein soll­te, was er nicht tat.

Die recht­li­che Kon­se­quenz des Ver­sto­ßes des Dienst­ge­bers gegen die sozia­le Gestal­tungs­pflicht ist, dass die Kün­di­gung rechts­un­wirk­sam ist.

  • 3 Tipps aus der Pra­xis für die Praxis:
  1. Doku­men­tie­ren Sie alle dies­be­züg­li­chen Gestal­tungs­über­le­gun­gen- und maß­nah­men, denn der Dienst­ge­ber hat vor Gericht eine Nach­weis­pflicht, sozia­le Gestal­tungs­maß­nah­men über­legt und vor­ge­schla­gen zu haben. 
  2. Doku­men­tie­ren Sie, dass es im gesam­ten Unter­neh­men für den zu kün­di­gen­den Dienst­neh­mer kei­nen Bedarf mehr gibt und dem Dienst­ge­ber kei­ne Maß­nah­me zumut­bar ist, die eine Wei­ter­be­schäf­ti­gung ermög­licht.
  3. Bemer­kens­wert ist auch der fol­gen­de Satz im Urteil des OGH ( 2. 2018, 9 ObA 12/18g) hin­sicht­lich der Kün­di­gung der Sekre­tä­rin: Mit den von der kla­gen­den Dienst­neh­mer „ange­spro­che­nen Alter­na­ti­ven (Teil­zeit­be­schäf­ti­gung, gerin­ge­rer Lohn) hät­te das Ein­spa­rungs­po­ten­zi­al nicht im sel­ben Aus­ma­ße erreicht wer­den kön­nen.“
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