Abgeleitet aus einem aktuellen OGH-Urteil haben wir für Sie eine Praktiker-Checkliste erstellt.
Eine Sekretärin in einem 10 Personen Betrieb wurde aus wirtschaftlichen Gründen (Kosteneinsparung) gekündigt. Die Kündigung hatte für die Dienstnehmerin erhebliche soziale und wirtschaftliche Nachteile. Dennoch entschied der OGH (27. 2. 2018, 9 ObA 12/18g), dass keine sozialwidrige Kündigung vorliegt.
Sehr prägnant formulierte der OGH in dieser Entscheidung, welche Sachverhaltsvoraussetzungen gegeben sein müssen.
Wir haben für Sie daraus zusammengestellt die folgende Praktiker-Checkliste
Praktiker-Checkliste: „Keine Sozialwidrigkeit bei Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen ⇒ Auf diese 7 Punkte sollten Sie achten“.
1
Ist der Betrieb betriebsratspflichtig?
Sofern der Betrieb nicht betriebsratspflichtig ist, dh weniger als 5 Dienstnehmer hat, kann der Dienstnehmer die Kündigung nicht nach den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes anfechten.
2
Ist der Dienstnehmer länger als 6 Monate im Unternehmen?
Wenn nein, dann kann der Dienstnehmer die Kündigung nicht wegen Sozialwidrigkeit anfechten.
3
Ist der Dienstnehmer ein leitender Angestellter im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes?
Wenn ja, dann kann der Dienstnehmer die Kündigung nicht wegen Sozialwidrigkeit anfechten.
4
Hat der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich zugestimmt?
Wenn ja, dann ist keine Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit möglich
5
Hat die Kündigung für den Dienstnehmer erhebliche soziale und wirtschaftliche Nachteile?
Beeinträchtigt die Kündigung wesentliche Interessen des Dienstnehmers? Wenn keine wesentliche Interessensbeeinträchtigung ð Kündigung ist sozial gerechtfertigt.
Die Antwort, ob die Kündigung wesentliche Interessen des Dienstnehmers beeinträchtigt, ergibt sich einzelfallbezogen aus der Gesamtsicht der folgenden Umstände:
6
Führt die Kündigung zum sachlich angestrebten Ziel (zB Kostensenkung)?
Das Gericht prüft, ob die Kündigung (a) sachlich begründet und (b) ein geeignetes Mittel ist, um den angestrebten Zweck (zB Kostensenkung) zu erreichen.
7
Hat der Dienstgeber alle Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung ausgeschöpft (soziale Gestaltungspflicht)?
Originalwortlaut des OGH: „Bei sozial benachteiligenden Kündigungen müssen demnach vom Arbeitgeber alle Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung ausgeschöpft werden, um trotz Rationalisierungsmaßnahmen die bisherigen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.“
Beispiel
(entnommen dem Urteil des OLG Wien 23. 8. 2017, 9 Ra 13/17y; ARD 6576/5/2017)
Soll eine 54-jährige Dienstnehmerin, die in ihrem Berufsleben durchgängig in der Versicherungsbranche und zuletzt als Teamleiterin im Bereich Betriebliche Vorsorge tätig war, aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen gekündigt werden, so trifft den Dienstgeber eine soziale Gestaltungspflicht.
Er muss überprüfen, ob er der Dienstnehmerin eine ihrer bisherigen Berufspraxis entsprechende Tätigkeit anbieten kann, ehe er die Kündigung ausspricht.
Ist die Dienstnehmerin aufgrund ihrer Ausbildung und Berufserfahrung für die ‒ nicht fachfremde ‒ Tätigkeit als Leiterin der Gewerbe- und Rückversicherung qualifiziert und ist zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits absehbar, dass diese Stelle in Kürze nachbesetzt werden soll, so verstößt der Dienstgeber gegen die soziale Gestaltungspflicht, wenn er sich mit dieser „Verwendungsmöglichkeit“ für die Dienstnehmerin nicht auseinandersetzt.
Aufgrund ihrer Ausbildung und der jahrelangen Tätigkeit in der Industrie- und Gewerbeversicherung ist die Dienstnehmerin für eine Tätigkeit als Leiterin der Gewerbeversicherung qualifiziert.
Dass die einschlägige Tätigkeit der Dienstnehmerin auf dem Fachgebiet der Gewerbe- und Rückversicherung bereits einige Jahre zurückliegt, ändert nichts an der grundsätzlichen Möglichkeit, die Dienstnehmer in diesem Arbeitsbereich einzusetzen.
Dass hierfür eine Auffrischung durch Einarbeitung und Nachschulung anfällt, ist hinsichtlich des Qualifikationsprofils der Dienstnehmerin jedenfalls ein zumutbarer Aufwand für den Dienstgeber.
Damit ist klargestellt, dass es Sache des Dienstgebers gewesen wäre, sich mit einer Verwendung der Dienstnehmerin als Leiterin der Gewerbe- und Rückversicherung auseinanderzusetzen.
Allenfalls hätte der Dienstgeber im Verfahren konkret vorbringen müssen, warum die Dienstnehmerin auf dem genannten Arbeitsplatz nicht einsetzbar sein sollte, was er nicht tat.
Die rechtliche Konsequenz des Verstoßes des Dienstgebers gegen die soziale Gestaltungspflicht ist, dass die Kündigung rechtsunwirksam ist.
- Dokumentieren Sie alle diesbezüglichen Gestaltungsüberlegungen- und maßnahmen, denn der Dienstgeber hat vor Gericht eine Nachweispflicht, soziale Gestaltungsmaßnahmen überlegt und vorgeschlagen zu haben.
- Dokumentieren Sie, dass es im gesamten Unternehmen für den zu kündigenden Dienstnehmer keinen Bedarf mehr gibt und dem Dienstgeber keine Maßnahme zumutbar ist, die eine Weiterbeschäftigung ermöglicht.
- Bemerkenswert ist auch der folgende Satz im Urteil des OGH ( 2. 2018, 9 ObA 12/18g) hinsichtlich der Kündigung der Sekretärin: Mit den von der klagenden Dienstnehmer „angesprochenen Alternativen (Teilzeitbeschäftigung, geringerer Lohn) hätte das Einsparungspotenzial nicht im selben Ausmaße erreicht werden können.“