Juni 22, 2016

0 Kommentare

Gut­gläu­bi­ger Ver­brauch oder das zuviel erhal­te­ne Ent­gelt wie­der zurückzahlen?

Als Per­so­nal­ver­rech­ner sind Sie Kum­mer gewöhnt: Die Lohn­ver­rech­nung wird immer kom­pli­zier­ter ⇒ trotz inten­si­ver Wei­ter­bil­dung und gewis­sen­haf­tem Arbei­ten sind Feh­ler nie aus­zu­schlie­ßen. Wann muss der Dienst­neh­mer den zuviel erhal­te­nen Betrag wie­der zurückzahlen?

Hie­zu gibt es einen inter­es­san­ter Fall aus der Recht­spre­chung, wo eine
Dienst­neh­me­rin durch einen vom Dienst­ge­ber unent­deck­ten Feh­ler über lan­ge Zeit hin­weg mehr als das DREI­FA­CHE erhal­ten, als ihr zustand:

Sach­ver­halt:

Die Dienst­neh­me­rin war Haus­be­sor­ge­rin, deren Ent­gelt laut Dienst­ver­trag ua gemäß Haus­be­sor­ger­ent­gelt­ver­ord­nung fest­ge­legt ist. Der Lohn hät­te kor­rek­ter­wei­se im Jahr 2011 ein­schließ­lich des Mate­ri­al­kos­ten­zu­schlags abzüg­lich Sach­be­zug € 342,37 net­to 14-mal jähr­lich betra­gen; ab Jän­ner 2012: € 365,19 net­to 14-mal jährlich.

Vom Jän­ner 2011 bis März 2012 erhielt die Dienst­neh­me­rin etwas mehr als das Drei­fa­che, kon­kret € 1.197,33 monat­lich aus­be­zahlt. Die Dienst­neh­me­rin hat ab Jän­ner 2011 drei Mal bei der Haus­ver­wal­tung ange­ru­fen und aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie ein Viel­fa­ches im Ver­gleich zu frü­her erhal­ten hat, jedes Mal wur­de ihr jedoch
zuge­si­chert, dass die­ses Ent­gelt in die­ser Höhe rich­tig sei.

Auch der Mann der Dienst­neh­me­rin frag­te bei der Haus­ver­wal­tung nach und erhielt die­sel­be Ant­wort. Die Mit­ar­bei­ter der Haus­ver­wal­tung ver­trau­ten auf die Abrech­nung eines exter­nen Dienst­leis­ters, ohne die Abrech­nun­gen selbst wei­ter nachzuprüfen.

Die Dienst­neh­me­rin ging daher davon aus, sie habe einen höhe­ren Ent­gelt­an­spruch als zuvor, weil sie 40 Fens­ter, die Fens­ter­bret­ter, das Gelän­der und den Dach­bo­den zusätz­lich zu put­zen hat, zuvor nie­mals Mate­ri­al­kos­ten­er­satz erhal­ten hat­te, und weil sie ekel­er­re­gen­de Sub­stan­zen ‒ bis­her ohne geson­der­tes Ent­gelt ‒ ent­fer­nen muss­te und dies nun von der neu­en Ver­wal­tung ent­gelt­lich offen­sicht­lich berück­sich­tigt wor­den sei.

Nun sind Sie gefragt: Schlüp­fen Sie in die Haut der Rich­te­rin Bar­ba­ra Salesch oder des Rich­ters Alex­an­der Hold:
  • Kann die Haus­ver­wal­tung (= Dienst­ge­ber), nach­dem sie den Abrech­nungs­irr­tum erkann­te, von der Haus­be­sor­ge­rin (= Dienst­neh­me­rin) das zu viel Aus­be­zahl­te zurückfordern?
  • Oder kann die Haus­be­sor­ge­rin  auf­grund gut­gläu­bi­gen Ver­brauchs das
    3‑fache, des ihr zuste­hen­den Loh­nes behalten?

Lösung

Mehr als Nach­fra­gen kann man nicht! Die Dienst­neh­me­rin darf das Geld behalten!

Ent­schei­dung des Erstgerichts

Nach­dem das Erst­ge­richt urteil­te, dass die Dienst­neh­me­rin das Geld behal­ten darf, weil

  • die For­de­rung des Dienst­ge­bers schon ver­jährt war und
  • die Dienst­neh­me­rin 3 Mal bei der Haus­ver­wal­tung, nach­frag­te, ob ihr das Geld wirk­lich zusteht und sie jedes Mal die Ant­wort erhielt, dass alles rech­tens sei.

Das Erst­ge­richt kam zum Schluss, dass die Dienst­neh­me­rin auf die­se Aus­kunft ver­trau­en durf­te. Die Dienst­neh­me­rin hat sich kor­rekt ver­hal­ten und ihre Zwei­fel durch die Nach­for­schung beseitigt.

Das Ober­lan­des­ge­richt gab dem Dienst­ge­ber Recht

Das OLG ent­schied anders und mein­te, dass ‒ trotz­dem die Dienst­neh­me­rin ihrer Nach­for­schungs­pflicht nach­ge­kom­men ist ‒ kein gut­gläu­bi­ger Ver­brauch vor­lag, weil sie auf­grund der Höhe (sie erhielt das Drei­fa­che des ihr zuste­hen­den Gehalts!) nicht auf die Aus­kunft der Haus­ver­wal­tung ver­trau­en durf­te. Nach der Mei­nung des OLG hät­te die Dienst­neh­me­rin das noch nicht ver­jähr­te zu viel erhal­te­ne Ent­gelt wie­der zurück­zah­len müs­sen.

Das Ober­lan­des­ge­richt mach­te kei­ne Aus­sa­ge dar­über, was die Dienst­neh­me­rin noch alles unter­neh­men hät­te müs­sen, um ihre Zwei­fel auszuräumen.

Der obers­te Gerichts­hof hat das letz­te Wort: Die Dienst­neh­me­rin darf das Geld behalten

Letzt­end­lich ent­schied der OGH in der Sache (OGH 27.4.2016, 8 ObA 9/16f) und kam zur end­gül­ti­gen Ent­schei­dung, wonach das Erst­ge­richt Recht hat­te: Die Dienst­neh­me­rin muss das zu viel erhal­te­ne Ent­gelt nicht zurück­be­zah­len:

Mit ihrem wie­der­hol­ten Nach­fra­gen hat sie ihre per­sön­li­chen Zwei­fel besei­tigt. Sie gab dem Dienst­ge­ber jede Mög­lich­keit, die Rich­tig­keit zu über­prü­fen. Dass der Dienst­ge­ber dar­auf ver­traut hat, dass der exter­ne Dienst­leis­ter, der die Abrech­nung vor­nahm, alles kor­rekt berech­net und aus­be­zahlt hat, kann zu kei­nem Nach­teil der Dienst­neh­me­rin führen.

Hier hät­te wohl der Dienst­ge­ber selbst kon­trol­lie­ren müs­sen, wie der exter­ne Dienst­leis­ter auf den Aus­zah­lungs­be­trag kommt.

Hin­wei­se:

  • Genau genom­men war hier der Dienst­ge­ber „schlam­pig“, weil er trotz der Nach­fra­gen der Dienst­neh­me­rin kei­ne Nach­for­schun­gen und Kon­trol­len beim exter­nen Dienst­leis­ter durch­ge­führt hat.
  • Unse­res Erach­tens soll­te der Dienst­ge­ber ver­su­chen, das zu viel bezahl­te Ent­gelt vom exter­nen Dienst­leis­ter zurück­zu­for­dern (im Wege des Regres­ses), denn den exter­nen Dienst­leis­ter trifft ein Ver­schul­den an der Mise­re. Ande­rer­seits wird der exter­ne Dienst­leis­ter ein Mit­ver­schul­den des Dienst­ge­bers ein­wen­den, weil der Dienst­ge­ber die Pflicht zur Kon­trol­le ver­nach­läs­sigt hat. Ob der Dienst­ge­ber tat­säch­lich das zu viel bezahl­te Ent­gelt zurück erhält, liegt damit wie­der in der Hand der Gerichte.

Was wir von die­ser Ent­schei­dung mit­neh­men soll­ten:
Ver­trau­en ist gut, Kon­trol­le ist unerlässlich!

Unser Tipp für Sie: Bit­te neh­men Sie sich die Zeit,

  • bei von Dienst­neh­mern geäu­ßer­ten Zwei­feln oder Nach­fra­gen die­se zu über­prü­fen und
  • zusätz­lich die Abrech­nung auf Plau­si­bi­li­tät hin zu kon­trol­lie­ren.

Es spart eine Men­ge Ärger und Geld!

Kommentar verfassen:

Your email address will not be published. Required fields are marked

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Werden Sie Mitglied im Patka-Knowhow-Club!

Unser Newsletter informiert Sie über Neuigkeiten in Personalrecht und Personalverrechnung.

  • kostenlos
  • informativ
  • nützlich
  • immer up to date
- Ihr Bundesland -
  • - Ihr Bundesland -
  • Burgenland
  • Kärnten
  • Niederösterreich
  • Oberösterreich
  • Salzburg
  • Steiermark
  • Tirol
  • Vorarlberg
  • Wien

*Außer Ihrer Email-Adresse fragen wir Sie nach Ihrem Bundesland, um regionale Angebote und Informationen gezielt zu versenden und dadurch eine Informationsflut zu vermeiden. Abmeldung ist jederzeit möglich. Für die Speicherung und Verarbeitung dieser Daten und den Versand unserer Informationen verwenden wir „Klick-Tipp“. Informationen zum Datenschutz finden Sie in unserer Datenschutzerklärung