Gutgläubiger Verbrauch oder das zuviel erhaltene Entgelt wieder zurückzahlen?
Als Personalverrechner sind Sie Kummer gewöhnt: Die Lohnverrechnung wird immer komplizierter ⇒ trotz intensiver Weiterbildung und gewissenhaftem Arbeiten sind Fehler nie auszuschließen. Wann muss der Dienstnehmer den zuviel erhaltenen Betrag wieder zurückzahlen?
Hiezu gibt es einen interessanter Fall aus der Rechtsprechung, wo eine
Dienstnehmerin durch einen vom Dienstgeber unentdeckten Fehler über lange Zeit hinweg mehr als das DREIFACHE erhalten, als ihr zustand:
Sachverhalt:
Die Dienstnehmerin war Hausbesorgerin, deren Entgelt laut Dienstvertrag ua gemäß Hausbesorgerentgeltverordnung festgelegt ist. Der Lohn hätte korrekterweise im Jahr 2011 einschließlich des Materialkostenzuschlags abzüglich Sachbezug € 342,37 netto 14-mal jährlich betragen; ab Jänner 2012: € 365,19 netto 14-mal jährlich.
Vom Jänner 2011 bis März 2012 erhielt die Dienstnehmerin etwas mehr als das Dreifache, konkret € 1.197,33 monatlich ausbezahlt. Die Dienstnehmerin hat ab Jänner 2011 drei Mal bei der Hausverwaltung angerufen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie ein Vielfaches im Vergleich zu früher erhalten hat, jedes Mal wurde ihr jedoch
zugesichert, dass dieses Entgelt in dieser Höhe richtig sei.
Auch der Mann der Dienstnehmerin fragte bei der Hausverwaltung nach und erhielt dieselbe Antwort. Die Mitarbeiter der Hausverwaltung vertrauten auf die Abrechnung eines externen Dienstleisters, ohne die Abrechnungen selbst weiter nachzuprüfen.
Die Dienstnehmerin ging daher davon aus, sie habe einen höheren Entgeltanspruch als zuvor, weil sie 40 Fenster, die Fensterbretter, das Geländer und den Dachboden zusätzlich zu putzen hat, zuvor niemals Materialkostenersatz erhalten hatte, und weil sie ekelerregende Substanzen ‒ bisher ohne gesondertes Entgelt ‒ entfernen musste und dies nun von der neuen Verwaltung entgeltlich offensichtlich berücksichtigt worden sei.
Lösung
Mehr als Nachfragen kann man nicht! Die Dienstnehmerin darf das Geld behalten!
Entscheidung des Erstgerichts
Nachdem das Erstgericht urteilte, dass die Dienstnehmerin das Geld behalten darf, weil
Das Erstgericht kam zum Schluss, dass die Dienstnehmerin auf diese Auskunft vertrauen durfte. Die Dienstnehmerin hat sich korrekt verhalten und ihre Zweifel durch die Nachforschung beseitigt.
Das Oberlandesgericht gab dem Dienstgeber Recht
Das OLG entschied anders und meinte, dass ‒ trotzdem die Dienstnehmerin ihrer Nachforschungspflicht nachgekommen ist ‒ kein gutgläubiger Verbrauch vorlag, weil sie aufgrund der Höhe (sie erhielt das Dreifache des ihr zustehenden Gehalts!) nicht auf die Auskunft der Hausverwaltung vertrauen durfte. Nach der Meinung des OLG hätte die Dienstnehmerin das noch nicht verjährte zu viel erhaltene Entgelt wieder zurückzahlen müssen.
Das Oberlandesgericht machte keine Aussage darüber, was die Dienstnehmerin noch alles unternehmen hätte müssen, um ihre Zweifel auszuräumen.
Der oberste Gerichtshof hat das letzte Wort: Die Dienstnehmerin darf das Geld behalten
Letztendlich entschied der OGH in der Sache (OGH 27.4.2016, 8 ObA 9/16f) und kam zur endgültigen Entscheidung, wonach das Erstgericht Recht hatte: Die Dienstnehmerin muss das zu viel erhaltene Entgelt nicht zurückbezahlen:

Mit ihrem wiederholten Nachfragen hat sie ihre persönlichen Zweifel beseitigt. Sie gab dem Dienstgeber jede Möglichkeit, die Richtigkeit zu überprüfen. Dass der Dienstgeber darauf vertraut hat, dass der externe Dienstleister, der die Abrechnung vornahm, alles korrekt berechnet und ausbezahlt hat, kann zu keinem Nachteil der Dienstnehmerin führen.
Hier hätte wohl der Dienstgeber selbst kontrollieren müssen, wie der externe Dienstleister auf den Auszahlungsbetrag kommt.
Hinweise:

Was wir von dieser Entscheidung mitnehmen sollten:
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist unerlässlich!
Unser Tipp für Sie: Bitte nehmen Sie sich die Zeit,
Es spart eine Menge Ärger und Geld!