Trotz geringem Wert des veruntreuten Materials ist die Entlassung laut Gericht gerechtfertigt!!
Sachverhalt:
Der Partieführer eines 100.000-Euro-Bauvorhaben wurde von der Kundin seines Dienstgebers angesprochen, einen kleinen Teil des Weges zu erneuern. Sie ersuchte den Dienstnehmer diese zusätzlichen Arbeiten ‒ außerhalb des Auftrags ‒ selbst zu übernehmen.
Der Dienstnehmer führte diese Zusatzarbeiten während der Dienstzeit durch, verwendete hiezu Materialien des Dienstgebers (zumindest 3 bis 4 Säcke Zement und eine entsprechende Menge Sand), gab einem Arbeitskollegen die Anweisung, ihm zu helfen und kassierte dafür € 150,00.
Als der Dienstgeber einige Tage später bemerkte, dass der Dienstnehmer Zusatzarbeiten für für die Kundin auf eigene Rechnung geleistet hat, entließ er den Dienstnehmer.
Zu Recht?
Urteil des OLG Wien 25. 8. 2016, 9 Ra 81/16x (ARD 6540/7/2017)
Ja, der Dienstnehmer wurde zu Recht entlassen, trotz des geringen Wertes des veruntreuten Materials.
Begründung:
Es kommen grundsätzlich 2 Entlassungsgründe für Arbeiter in Frage:
- Konkurrenzierende Tätigkeit im Geschäftszweig des Dienstgebers (§ 82 lit e GewO)
- Vertrauensunwürdigkeit aufgrund eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung (§ 82 lit d GewO)
Zu 1: Konkurrenzierende Tätigkeit im Geschäftszweig des Dienstgebers (§ 82 lit e GewO)
Da für diesen Entlassungsgrund wesentlich ist, dass der Dienstnehmer in Wiederholungsabsicht tätig wird – was nicht der Fall war – lag dieser Entlassungsgrund nicht vor.
Zu 2: Vertrauensunwürdigkeit aufgrund eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung (§ 82 lit d GewO)
Zweifellos hat der Dienstnehmer Material des Dienstgebers veruntreut, um dieses Zusatzgeschäft auf eigene Rechnung durchzuführen.
Das Material waren 3 bis 4 Säcke Zement und eine entsprechende Menge Sand – reicht diese geringen Mengen aus, dass die Weiterbeschäftigung lediglich dann, wenn besondere Begleitumstände vorliegen: Bspw liegt eine Zwangslage vor, Dienstnehmer wurde angestiftet, jugendliches, noch unreifes (Pubertäts)Alter, mangelnde Schuldeinsichtsfähigkeit uä.
Umstände dieser Art liegen im konkreten Fall nicht vor. Zwar ist der Wert des veruntreuten Materials gering, aber nicht wertlos. Wenn auch der Dienstnehmer bereits 10 Jahre im Betrieb beschäftigt war und auch keine weiteren Verfehlungen bisher vorlagen, ist im konkreten Fall aufgrund der näheren Umstände die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers nicht gegeben, die Entlassung daher rechtmäßig, weil
- der Dienstnehmer ihm anvertrautes Material des Dienstgebers verwendete,
- er zum Geschäftszweig des Dienstgebers gehörige Arbeiten erbrachte und zwar
- während der Dienstzeit und
- mit Hilfe eines Arbeitskollegen, dem er die Weisung hiezu erteilte und
- hiefür Geld (€ 150,00) kassierte.
Die Entlassung war daher laut OLG Wien gerechtfertigt.
Tipps und Hinweise für die Praxis:
Dass auch bei Diebstahl bzw Veruntreuung von Waren von nur geringem Wert eine Entlassung gerechtfertigt ist, haben die Gerichte bereits öfters entschieden:
Hiezu einige Beispiele:
Der Dienstnehmer wollte Papierrollen aus dem Betrieb des Dienstgebers mit nach Hause nehmen und hat diese unerlaubt von ihrem Bestimmungsort entfernt. Dabei verwendete er einen Plastiksack, der nicht nur dem Transport diente, sondern ebenso der Verheimlichung der entfernten Sachen. Zudem hat der Dienstnehmer versucht, den Plastiksack in einem Zwischenlager zu verstecken, um bei seinem Vorhaben nicht entdeckt zu werden. Dies erfüllt den Straftatbestand des versuchten Diebstahls. Die Entlassung des Dienstnehmers erfolgte daher zu Recht.