Am 25. Mai 2021 hatte ich folgenden Newsletter verschickt:
Betreff: Offene Frage zur Verlängerung der Risikogruppenfreistellung
Die Risikogruppenverordnung gilt bis zum 30. Juni 2021
Mit dem BGBl ausgegeben am 21. Mai 2021 wurde die Regelung zur Freistellung von Risikogruppen bis zum 30. Juni offiziell verlängert.
Der Gesetzestext des § 735 Abs 3 ASVG lautet:
„Legt eine betroffene Person ihrem Dienstgeber dieses COVID-19-Risiko-Attest vor, so hat sie Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung und Fortzahlung des Entgelts, außer […]
2. die Bedingungen für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung in der Arbeitsstätte können durch geeignete Maßnahmen so gestaltet werden, dass eine Ansteckung mit COVID-19 mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist; dabei sind auch Maßnahmen für den Arbeitsweg mit einzubeziehen.“
Dies wirft die folgende Frage auf, die ich direkt an die Österreichische Gesundheitskasse gestellt habe:
➪ Ist bezüglich der ÖGK-Erstattung diese Voraussetzung vom Dienstgeber
- lediglich technisch/organisatorisch zu prüfen, dh kann technisch/organisatorisch der Dienstgeber den Risikogruppen-Dienstnehmer vor Ansteckung schützen? ➪ In diesem Fall hat der Risikogruppen-Dienstnehmer bis 30. Juni weiterhin Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn dies bereits bisher so war, ODER
- sind die Voraussetzungen auch „personell“ zu prüfen, dh wenn der Risikogruppen-Dienstnehmer geimpft ist, fällt automatisch die Ansteckungsgefahr weg ➪ Ende des Anspruches auf bezahlte Freistellung ➪ Rückkehr des Risikogruppen-Dienstnehmers ins Büro?
Aufgrund der steigenden Anzahl geimpfter Personen, die zur Risikogruppe zählen, ist die Rechtsansicht der ÖGK zur Erstattung geimpfter Risikogruppen-Dienstnehmer von größter Bedeutung und ich werde Sie diesbezüglich informieren, sobald die Rückmeldung erfolgt.
Die Antwort dauerte etwas länger, wobei die Ursache hierfür nicht bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) lag.
Die ÖGK ist bei der Rückerstattung nach § 735 ASVG an Weisungen des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Konsumentenschutz gebunden und musste daher um eine entsprechende Stellungnahme bei den im Ministerium tätigen Juristen rückfragen.
Nun liegt die offizielle Stellungnahme der ÖGK, abgestimmt mit dem zuständigen Ministerium, vor, die mir dankenswerterweise von Abteilungsleiter Andreas Hertel von der Wiener Landesstelle weitergeleitet wurde:
Die Regelung zur Freistellung und Erstattung für Angehörige der COVID-19-Risikogruppe (§ 735 ASVG) wurden bis 30. Juni 2021 verlängert. An den grundsätzlichen Voraussetzungen für Freistellung und Erstattung aus diesem Titel hat sich nichts geändert.
Die Erstattung des Entgelts, der abzuführenden Steuern, Abgaben und Beiträge für Angehörige der COVID-19-Risikogruppe durch den Krankenversicherungsträger erfolgt unabhängig von Erhalt einer Impfung durch den Dienstnehmer für Zeiträume bis 30.06.2021. Voraussetzung für eine Erstattung ist die Erfüllung der in § 735 Abs. 3 ASVG angeführten Bedingungen.
Kehrt ein Dienstnehmer nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt im Zusammenhang mit einer bereits wirksamen Immunisierung durch Impfung vor dem 30.6.2021 an seinen Arbeitsplatz zurück, enden natürlich Freistellung und Möglichkeit der Erstattung.


Meine Ergänzung zu dieser Stellungnahme:
Sie können den geimpften Risikogruppen-Dienstnehmer auffordern, seinen Arzt zu fragen, ob er wieder im Büro arbeiten kann.
a) Geimpften Risikogruppen-Dienstnehmer, die aufgrund ärztlicher Freigabe wieder im Büro arbeiten können und dies auch aus ihrer Treuepflicht gegenüber ihrem Dienstgeber tun ➪ Mit Beginn der Tätigkeit des geimpften Risikogruppen-Dienstnehmers im Büro endet die Erstattung der Entgeltfortzahlung durch die ÖGK
b) Weigert sich der geimpfte Risikogruppen-Dienstnehmer (trotz oder ohne Arztkonsultation) im Büro zu arbeiten, dann ist die Situation bis 30. Juni 2021 unverändert wie bisher:
So wie ich diese Stellungnahme verstehe, scheint die Verweigerung der Arbeitsaufnahme trotz Impfung durch einen Risikogruppen-Dienstnehmer aber kein Verstoß gegen die Treuepflicht zu sein.…
Liebe Frau Dr Knell,
ich bin kein Jurist. Bitte prüfen Sie – als von mir sehr geschätzte Juristin – die folgende Antwort kritisch auf rechtliche „Haltbarkeit“ – danke.
Sicher ist, dass die ÖGK hinsichtlich der Erstattung der Entgeltfortzahlung nicht nachfragt, ob der Dienstnehmer bspw aus medizinischen Gründen bereits im Büro hätte Arbeiten können, dies aber verweigert. Die ÖGK stellt bis 30. Juni auf das Faktische ab.
Dh:
Arbeitet der geimpfte Risikogruppen-Dienstnehmer im Büro ➪ eine Erstattungen mehr durch die ÖGK.
Arbeitet der geimpfte Risikogruppen-Dienstnehmer wie bisher nicht im Büro ➪ weitere Erstattungen durch die ÖGK.
Arbeitsrechtlich (dh lediglich im Verhältnis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer) wird meiner rechtlichen „Hausverstandsansicht“ nach in der Regel kein Verstoß gegen die Treuepflicht vorliegen, wenn der Dienstnehmer bis Ende Juni weiterhin nicht im Büro arbeitet, es sein denn – extrem seltene Ausnahme – dass seitens Arzt kein Einwand gegen die Arbeit im zB Einzelbüro spricht, der Dienstgeber ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen hat UND – wichtigster Punkt – die Tätigkeit des Dienstnehmers aufgrund seines Spezialwissen oder seiner Spezialfähigkeiten für eine – für das Unternehmen außerordentlich wichtige – Aufgabenstellung nahezu unverzichtbar ist und der Dienstnehmer keine Bereitschaft hat, dh sich grundlos weigert, im Büro zu arbeiten.
Liebe Grüße
Ernst Patka
Aus eigener Erfahrung sagen zu können „ Es gibt auch Arbeitnehmer die zur Risikogruppe gehören die nicht in einem Büro arbeiten.…..