Mein Eindruck ist, dass die Anzahl jener Personen zunimmt, die Corona und die empfohlenen, ansteckungsvermeidenden Vorsichtsmaßnahmen ignorieren, nach dem egoistischen Motto:
„Ich bin es mir Wert, so Spass zu haben, wie ich das will und pfeife auf die Corona-Regeln“
Wenn es dann darum geht, auch die Konsequenzen seines Verhaltens zu tragen, dann erwartet diese Person, dass ihm von dritter Seite geholfen wird, dh, dass er, falls er infiziert ist,
- ein Krankenbett bekommt,
- sein Gehalt weiter gezahlt wird etc.
Erinnern Sie sich an Pressemeldungen der letzten Tage?
- Hotels, die rechtswidrig auch im Lockdown geöffnet haben, um Skifahrern einen Skiurlaub zu ermöglichen: https://zackzack.at/2020/12/30/hotels-auch-im-lockdown-geoeffnet-unterkuenfte-vermieten-trotz-urlauber-verbot/
- Massenansturm an Skifahrern bei Talstationen: Statt Babyelefant war lediglich Platz für eine Babyfliege: https://www.oe24.at/oesterreich/chronik/salzburg/schock-bilder-massen-draengen-in-talstation/459095951
- Geburtstagsfeiern mit mehr als 100 Personen in eigens hierfür geöffneten Gaststätten uvm
Ich bekam Mails – nicht nur von Dienstgebern, sondern auch von DienstnehmerInnen – die verärgert anfragten, inwieweit es rechtlich zutrifft, dass Karl Pfeifdrauf (fiktiver Name und Synonym für die obigen Egomanen) nach dem Skiurlaub sich selbst und andere schützend in Selbstisolation begibt ̶ möglicherweise sogar empfohlen von 1450 aufgrund seiner Schilderung, wie die Verhältnisse im Skiurlaub waren ̶ und Entgeltfortzahlung in dieser Zeit gemäß § 8 Abs 3 Angestelltengesetz fordert.
Karl Pfeifdrauf hält, wie Facebookeinträge, Instragrambilder und Whats App-Mitteilungen an Kollegen zeigen,
a) nichts von Corona-Abstandsregeln, Mund-Nasen-Schutz ua infektionsverhindernden Hygienemaßnahmen
b) aber er hält viel von ungetrübter Pistengaudi.
Was kann der Dienstgeber tun?
Begibt sich Karl Pfeifdrauf in Selbstisolation, kann der Dienstgeber ihn auffordern – selbst wenn die Selbstisolation von 1450 empfohlen wurde – dass der Dienstnehmer bspw innerhalb von 48 Stunden entweder eine Krankenstandsbestätigung oder einen Absonderungsbescheid (= Quarantänebescheid) vorlegt.
Es sind nun 3 Möglichkeiten vorstellbar:
Variante 1:
Karl Pfeifdrauf legt die erbetenen Dokumente vor ⇨ Er hat einen Entgeltfortzahlungsanspruch, es sei denn, die Erkrankung bzw die quarantäneauslösende Corona-Infektion wurde grob fahrlässig (was der Dienstgeber zu beweisen hat, Hinweise diesbezüglich auf Facebook? etc) herbeigeführt.
Im Zweifel empfehle ich die Entgeltfortzahlung mit einem Rückforderungsvorbehalt zu verbinden.
„Sollte sich herausstellen, dass Erkrankung bzw die quarantäneauslösende Corona-Infektion von Ihnen grob fahrlässig herbeigeführt wurde, behalten wir uns vor, dass zu Unrecht ausbezahlte Entgelt rückzufordern.“
Hinweis:
Es gibt auch Rechtsansichten, wonach die Entgeltfortzahlung nach dem Epidemiegesetz, dh Entgeltfortzahlung während der behördlich angeordneten Quarantäne verschuldensunabhängig zu gewähren ist.
Ein umfassenderes Textmuster finden Sie in dem mE für Personalisten unverzichtbaren Vorlagenportal: www.vorlagenportal.at
Variante 2:
Karl Pfeifdrauf legt die erbetenen Dokumente nicht vor ⇨ Er ist als arbeitsfähig einzustufen und der Dienstgeber kann ihn auffordern, entweder im Home-Office zu arbeiten oder an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen.
Für die Zeit, in der Karl Pfeifdrauf trotz Arbeitsfähigkeit keine Arbeitsleistung erbringt, steht ihm in diesem Fall keine Entgeltfortzahlung zu.
Variante 3:
Karl Pfeifdrauf legt die erbetenen Dokumente nicht vor, aber er ist – von ihm glaubhaft dargestellt – ein konkreter Coronaverdachtsfall und deshalb ist die Selbstisolation sinnhaft.
Der Dienstnehmer ist dann ein konkreter Coronaverdachtsfall, wenn er
- Symptome und Beschwerden einer akuten Atemwegserkrankung, Husten, Halsschmerzen, Atembeschwerden, erhöhte Temperatur etc aufweist und
- in den 14 Tagen, bevor die Symptome auftreten,
> Kontakt mit einer bestätigten C‑19-infizierten Person hatte
oder
> sich in einer besonders gefährdeten Region aufgehalten hat.
Der Dienstnehmer hat nur dann einen Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 8 Abs 3 Angestelltengesetz, wenn kein schuldhaftes Verhalten vorliegt.
Aufgrund des obigen Sachverhaltes liegt bei Karl Pfeifdrauf zumindest leicht fahrlässiges Verhalten vor, das den Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 8 Abs 3 Angestelltengesetz ausschließt.
Für den Fall, dass der Dienstgeber Zweifel hat, ob ein schuldhaftes Verhalten Auslöser für die Infektion und die anschließende Selbstisolation ist, empfehle ich die Entgeltfortzahlung mit einem Rückforderungvorbehalt zu verbinden.

Textmuster:
„Sollten Sie
a) keine Krankenstandsbestätigung bzw keinen Absonderungsbescheid (Quarantäne) in den nächsten 2 Tagen vorlegen und/oder
b) sollten Sie ein Verhalten gesetzt haben, dass nicht jenem einer verantwortungsbewusst handelnden Person entspricht und Sie daher schuldhaft Ihre vorsichts- bzw coronaverdachtshalber vorgenommene Selbstisolation verursacht haben,
sind wir berechtigt, das während Ihrer Abwesenheit (Selbstisolation) an Sie zu Unrecht geleistete Entgelt zurückzufordern.
Die Einbringung des zurückzuzahlenden Betrags kann auch durch Entgeltabzug bei Ihren künftigen Bezügen erfolgen.
Ein Verhalten, das nicht jenem einer verantwortungsbewusst handelnden Person entspricht und daher schuldhaft ist, ist bspw dann gegeben, wenn Sie sich infektionsrisikoerhöhend weder an Abstands- noch an MNS-Regeln noch an andere infektionsverhindernde Hygienemaßnahmen in jenem Ausmaß gehalten haben, wie dies in Rechtsvorschriften vorgesehen ist bzw zum Zeitpunkt des Verhaltens vorgesehen war.
Sie können dieses Textmuster nicht nur für den „Skifahrer-Fall“ des Karl Pfeifdrauf, sondern für alle Verhaltensweisen von Dienstnehmern verwenden, die gröblichst gegen infektionsrisikominimierende, in Rechtsvorschriften geregelte, Verhaltensanordnungen verstoßen haben und bspw an Geburtstags‑, Silvester- oder sonstigen Privatpartys ohne Abstand und MNS teilgenommen haben.
Das ist alles schön und gut und muss im Streitfall halt vom AG bewiesen werden, dass sich der AN sorgfaltswidrig verhalten hat.
Ich hatte ein ähnlich knifflige Frage:
Eine Risikoperson ist mangels Möglichkeit von Homeoffice und sonstigen Sicherheitsvorkehrungen im Betrieb vom Dienst freigestellt. Nachdem die Person ohnehin dienstfrei gestellt ist, pfeift sie auch auf alle Vorsichtsmaßnahmen und verbringt den Urlaub wie geplant im Ausland, wohlwissend, dass bei der Rückreise nach Ö eine Selbstisolation droht.
Der AN denkt sich aber, ich bin ja als Risikoperson ohnehin freigestellt und kann daher die 2 Wochen Selbstisolation ohne Konsequenzen aussitzen, habe daneben Urlaub gespart und das Entgelt wird mir auch fortgezahlt.
Auch in dem Fall wäre ich geneigt, dem AN das Entgelt für die Zeit der Isolation auf Grund der Einreisebestimmungen zu kürzen.
Was meinen die Arbeitsrechtsexperten dazu?
Hallo, Herr Franz P.
1. Selbstverständlich ist Ihr Hinweis korrekt, dass der Dienstgeber das Dienstnehmerverschulden nachzuweisen hat. Bei leichter Fahrlässigkeit (und manchmal unter zu Hilfenahme von Facebook, Instagramm uä) ist das gar nicht so schwer, Verstöße gegen die einfachsten Corona-Vorsichtsmaßnahmen zu dokumentieren.
2. Zu Ihrer Frage: Bei dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt ist schon diskussionswürdig, wenn eine Risikogruppenperson plötzlich beim Konsum eines „Urlaubes“ den Schutz seiner Gesundheit aufs Spiel setzt. Andererseits sehe ich – ähnlich wie bei der Kurzarbeit – die Tatsache, dass der Dienstnehmer seine „Nicht-Arbeitszeit“ frei gestalten kann.
Mein Rat an den Dienstgeber ist: Entgeltfortzahlung unter Rückforderungsvorbehalt der Refundierung dieser Zeit durch die ÖGK. Sollte die ÖGK – nicht ausgeschlossen – aufgrund entsprechend grob fahrlässigem Verhalten die Entgeltfortzahlung, die der Dienstgeber während der „Urlaubszeit“ nicht erstatten, würde ich den Dienstnehmer vor die Wahl stellen: Entweder Entgeltrückforderung oder Urlaubsvereinbarung.
Ich hoffe, meine Überlegungen helfen Ihnen weiter.
Ich wünsche einen erfolgreichen Arbeitstag, ein angenehmes und erholsames Wochenende.
Mit herzlichen Grüßen
Ernst PATKA